2007/09/05

Ressourcenorientierung in Psychiatrie und Musiktherapie

Die moderne Sozialpsychiatrie zeichnet sich durch multiprofessionelle Teamarbeit und Kooperation aus. Eine hohe fachliche Leistung ist in ihrer Qualität nicht unabhängig von Grad und Qualität der Zusammenarbeit. Aber auch Spannungen bleiben bei der Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen nicht aus. Die Soziologin Renate Mayntz hat dies in Ihren Beiträgen zur Berufsgruppenausdifferenzierung in der Medizin aufgezeigt.

Gerade wenn unterschiedliche Standesinteressen zu auseinanderdriftenden Tendenzen führen, stellt sich die Frage was zur (Re-)Integration taugt. Hier stehen in erster Linie der gemeinsame Auftrag, die gemeinsamen Ziele. Aber auch die Suche nach berufsübergreifend akzeptierten Konzepten bietet integrative Chancen. Hierzu soll das Konzept der Ressourcenorientierung etwas genauer in das Auge gefaßt werden.

In der Forschungsstudie 'Stellung, Bedeutung und Effektivität der Musiktherapie in der Behandlung psychiatrischer Patienten'(2006) stellt Axel Reinhardt eine musiktherapeutische Konzeption nach Schwabe vor.

Vorgestellt wird der musiktherapeutische Methodeneinsatz anhand fünf Ansatz- und Ausgangspunkte musiktherapeutischen Handelns:

- symptomzentriert
- persönlichkeitszentriert
- systemisch (familien-/paarzentriert)/
- ressourcenzentriert
- ichstrukturell orientiert

Zum ressourcenorientierten Handlungsansatz schreibt Axel Reinhardt:

"Zunächst ist hier im Sinne einer Binsenweisheit festzustellen, dass die Beachtung und Förderung von Ressourcen des Patienten immer Bestandteil psychotherapeutischen und musiktherapeutischen Handelns sein sollte. Eine Aussage, die konzeptions- und schulenübergreifend Gültigkeit hat. Das heißt, das Auffinden, die Beachtung und Förderung der Ressourcen des Patienten, auch dies bio-psycho-sozial gedacht, hat im psychotherapeutischen und musiktherapeutischen Handeln eine übergreifende, fundamentale Bedeutung. So gelingen beispielsweise psychotherapeutisch/musiktherapeutische Prozesse, die auf Grund spezifischer diagnostischer Daten an der Symptomatik oder an strukturellen Defiziten ansetzen müssen, nur, wenn gleichzeitig auch die Ressourcen des Patienten gefördert werden.
Das bisher Gesagte ist nicht identisch mit dem ressourcenorientierten Handlungsansatz. Dieser ist dadurch charakterisiert, dass unter bewusster Zurückstellung bzw. Umgehung der Symptomatik und/oder ichstruktureller Defizite die Ressourcen des Patienten zum Ausgangs- und Ansatzpunkt des therapeutischen Handelns gefördert werden.
Ausgehend von der Erfahrung, dass aus der Perspektive des Diagnostikers und/oder Therapeuten die Ressourcen des Patienten häufig deutlicher erkennbar sind als von ihm selbst, bedeutet ressourcenorientierter Handlungsansatz initial die Beschäftigung des Patienten und des Therapeutens mit der Suche und dem Erkennen von Fähigkeiten, die der Patient auch selbst als Ressourcen erleben kann. Im Grunde geht es um die Förderung der Wahrnehmung für eigene, bio-psycho-sozial verstandene Reserven." (Reinhardt, 2006, 24 f.)

Die Handlungen des Musiktherapeuten setzen am Erkennen und Erleben von Ressourcen und deren Förderung an.

Ressourcenorientiert zeigt sich auch Manfred Spitzer, wenn er hervorhebt, "... dass das, was einem Gesunden gut tut, einem schizophrenen Menschen auch gut tut." (Spitzer, 2002, 433) Gerade im Bereich der Psychiatrie geht es um die Gestaltung von Normalität, "weil viele Patientenkrankheitsbedingt diese Normalität verloren haben." (a.a.O.)

Eine Orientierung an den Ressourcen kann nicht nur als schulenübergreifende Schnittmenge in der Musiktherapie identifiziert werden. Meines Erachtens kann von einem berufsgruppenüberschreitenden Konsenz hinsichtlich der Akzeptanz ressourcenorientierter Arbeit ausgegangen werden. Die ressourcenorientierte Ausrichtung findet sich als auch allgemeine Orientierung an der Konzeption 'Hilfe zur Selbsthilfe' in der Sozialarbeit und entsprechend in der Medienpädagogik und der Musiksozialarbeit.

Ressourcenorientierung kennzeichnet auch nach RIM-Pädagogik und RIM-THerapie eine Schnittmenge von Musiktherapie und Musikpädagogik.

Die Blick auf gemeinsame Bezugspunkte beinhaltet ein integratives Potential und kann insbesondere bei Konflikten in multiprofessioneller Teamarbeit und Kooperation hilfreich sein, wenn ungünstige Prozesse im Dunstkreis der Berufsrollenausdifferenzierung bei Konflikten eine Rolle spielen. Die psychiatrietypische multiprofessionelle Zusammenarbeit bietet auch Nährboden für spezifische Konflikte. Denn nicht immer wird das Ideal erreicht: Qualitativ hochwertige Teamarbeit und Kooperation im multiprofessionellen psychiatrischen Arbeitsfeld.

Literatur:

Knothe, Katrin; Reinhardt, Axel (2006) Stellung, Bedeutung und effektivität der Musiktherapie in der Behandlung psychiatrischer Patienten.Aachen: Shaker Verlag.

Spitzer, Manfred (2002) Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen undErleben im neuronalen Netzwerk. Stuttgart: Schattauer.

Fierus, Gerd (2005, 2006) Beiträge zur RIM-Pädagogik und RIM- Therapie. In: http://musiklabor-netzwerk.blogspot.com.

RIM-Therapie und RIM-Pädagogik im Musiklabor-Netzwerk:
RIM-Konzeption in Kurzfassung
RIM-therapeutische Perspektive
Thesen zur Musiktherapie
RIM-Pädagogik anhand eines Beispiels
RIM-Forschung und erfolgreiches Lernen
Bewegungspädagogik als RIM-Pädagogik
Hörmann'sche Musiktherapie als RIM-Therapie

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