2006/01/10

RIM-Forschung und erfolgreiches Lernen

'Kinder brauchen Musik' ist der Titel einer Veröffentlichung von Professor Dr. Wilfried Gruhn. Wilfried Gruhn zeigt in seinem wissenschaftsorientierten Buch auf, wie die Musikalität bei kleinen Kindern entfaltet und gefördert werden kann.

Wilfried Gruhn, Jahrgang 1939, war Orchestermusiker und Musiklehrer. 1973 wurde er als Professor für Musikpädagogik an die Folkwang-Hochschule in Essen berufen, seit 1977 leitet Professor Gruhn den Studiengang Schulmusik an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg.

Im Sinne der RIM-Konzeption für Musiktherapie und Musikpädagogik bestätigt Professor Dr. Gruhn das Modell des multimodalen Lernen.

„Wenn wir das heranwachsende Kleinkind als lernendes beobachten stellen wir fest, dass es nicht nur mit den Augen sieht, mit den Ohren hört und mit den Händen fühlt, sondern dass immer der ganze Körper in die sinnliche Wahrnehmung miteinbezogen ist. … Und so, wie ein Kind alles mit allen Sinnen aufnimmt, dienen auch alle Sinne als Eingangstor für die empfangenen Reize. So sind auch an der musikalischen Wahrnehmung nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen und der gesamte Bewegungsapparat beteiligt. Ebenso findet Lernen in einer spezifischen Vernetzung verschiedener Sinne statt.“ (Gruhn, 2003, 91)

Eine ressourcenorientierte Musikpädagogik setzt an den Fähigkeiten an, nicht an den Defiziten.

Eine multimodal-integrative musikpädagogische Methodik betrachtet ihre Schüler als Menschen, die mit einem komplexen Sinnesapparat ausgestattet sind.

Ziel pädagogischer Entwicklungsprozesse ist gerade in der RIM-Pädagogik nicht nur die Schärfung der Sinne, sondern auch eine zu optimierende Entwicklung der coenästhetischen Organisation im Sinne von René Spitz.

Fassen wir mit Professor Dr. Dr. Karl Hörmann (Universität Münster und Deutsche Sporthochschule Köln) Therapie als nachträgliche Pädagogik auf, dann kann dieses allgemeine pädagogische Ziel auf die Therapie übertragen werden.

Dies gilt für alle drei Phasen der Hörmann'schen Musiktherapie, also für die Diagnostik, die Erlebnisvertiefung und die Handlungsaktivierung. Gerade in der Phase der Handlungsaktivierung ist das Üben, genauer das wiederholende Einüben gefragt. Wir wissen aus der Kleinkindforschung und generell aus der Forschung zur multimodalen Informationsverarbeitung, wie wichtig das Lernen durch Wiederholung ist und welche Bedeutung dabei die Nutzung meherer Sinne haben.

An der psychologischen Front multimodaler Intelligenzforschung steht H. Gardener, der auch eine Rahmentheorie der multiplen Intelligenzen entwickelt hat. Auch die Langzeitstudie von Hans Günther Bastian zur Musikerziehung und ihrer Wirkung konnte die hohe Bedeutung des Musikunterrichts aufzeigen. Zu den notwendigen Konsequenzen, wie etwa zur adäquaten Anpassung des Forschungsdesign der PISA-Studie auf den aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis ist es jedoch bislang noch nicht gekommen.

Das Lernen durch Wiederholung kann und sollte auch durch intelligente Variationen der jeweiligen Übungen angereichert werden. Mittels solcher Feinanpassung kann nicht nur erreicht werden, dass die Spanne konzentrierter Aufmerksamkeit verlängert wird, sondern es können auch fein abgestufte Schwierigkeitsgrade in den Übungen eingebaut werden, so dass der Schwierigkeitsgrad dem aktuellen Leistungsstand des Übenden angepaßt werden kann. Dadurch kann dem Motivationsverlust durch Frustration (Überforderung) oder durch Langeweile (Unterforderung) vorgebeugt werden. Statt dessen können Erfolgserlebnisse beim Übenden erreicht werden, die das körpereigene Belohnungssystem aktivieren. Die Ausschüttung körpereigener Endorphine kann zu Flow-Erlebnissen führen. Intelligentes Lernen und Üben muss nicht weh tun! Um einen 'kick' zu bekommen werden keine Drogen benötigt, man muss nur das Wissen und die Erfahrung haben, wie es auch anders geht. Wer für das intelligente Lernen weder Vorbilder noch Lehrer hat, besitzt kein passendes Modell.

Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen kann die Frage formuliert werden:

Ist es schlichtes Unvermögen, also ein Nicht-Wissen, was die Karriere der vielen im Leben Resignierten stärker formt, als gemeinhin angenommen wird? Wenn diese Frage mit "Ja" beantwortet wird, gilt es, die fachliche Qualifikation Lehrender zu verbessern. Lehrende sind allerdings nicht nur die professionellen Lehrer, sondern all diejenigen, die an sozialen Lernprozessen beteiligt sind. Dazu gehören auch die Eltern und das soziale Umfeld.

Eine Gesellschaft, die übermäßig in die Elitenförderung investiert, ist mit Sicherheit nicht auf dem richtigen Weg. Um die sozialen Sicherungssysteme unserer Gesellschaft nicht im Eilverfahren abzubauen, ist auch in der Steuerung unserer Sozialplanung Intelligenz gefragt. Gerade an solchen exponierten Stellen, in denen die knappen finanziellen Ressourcen der öffentlichen Haushalte verteilt werden, gilt es sich auf den aktuellen wissenschaftlichen Stand zu bringen, wenn sich die Perspektive auf die Zukunft unserer Gesellschaft wieder etwas aufhellen soll.

Quellen:

Bastian, Hans Günther (2000) Musik(erziehung) und ihre Wirkung. Eine LAngzeitstudie an Berliner Grundschulen. Mainz: Schott.

Bertolaso, Yolanda (2004) Resilienz in Pädagogik und künstlerischer Tanztherapie. Münster: Paroli.

Gruhn, Wilfried (2003) Kinder brauchen Musik. Musikalität bei kleinen Kindern entfalten und fördern. Weinheim: Beltz.

Hörmann, Karl (2004) Musik in der Heilkunde. Münster: Paroli.

Spitz, René (1967) Vom Säugling zum Kleinkind. Naturgeschichte der Mutter-Kind-Beziehung im ersten Lebensjahr. (11. Aufl.) Stuttgart: Klett.

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