Wissenschaftlich orientierte RIM-Pädagogen und RIM-Therapeuten, die an einer qualitativ hochwertigen Arbeit interessiert sind, orientieren sich an den Ergebnissen der aktuellen wissenschaftlichen Forschung. Hierzu gehört insbesondere auch die moderne Gehirnforschung.
Die pädagogische Theorie bietet ein reiches Angebot von Hypothesen, die für eine systematische pädagogische Arbeit genutzt werden können.
Für den mit Klienten arbeitenden Praktiker ergibt sich aufgrund des umfangreichen Angebots von griffbereiten theoretischen Vorannahmen die bereits von Niklas Luhmann postulierte Notwendigkeit, Komplexität zu reduzieren.
Ausgehend vom hypothesengeleiteten pädagogischen Handeln, darf bzw. muß sich der auf Theorie zugreifende Praktiker für bestimmte Hypothesen bzw. Vorannahmen entscheiden.
Zur Lösung von Entscheidungsproblemen sind sinnvolle Algorithmen gefragt.
Es erscheint erlaubt zu Fragen, nach welchen Kriterien ausgewählt werden soll, wenn eine Auswahl aus dem umfangreich präsentierten theoretischen Material der pädagogischen Wissenschaft zu treffen ist, die nicht beliebig, sondern möglichst für die pädagogische Arbeit optimiert ist.
Es ist nicht beliebig, mit welchen Arbeitshypothesen in der praktischen pädagogischen Arbeit agiert wird. Ein diesbezüglich sinnvoll erscheinendes Kriterium ist sicher der Grad der wissenschaftlichen Fundiertheit der Arbeitshypothese. Zu erinnern ist die Tatsache, dass der pädagogische Praktiker ein Anwender fundierter Hypothesen sein sollte, die Prüfung der Hypothesen sollte bereits im Vorfeld erfolgt sein. Immerhin muß auch das Rad nicht täglich neu erfunden werden.
Aus diesen Überlegungen heraus ergibt sich, dass es hilfreich für die oben gestellte Aufgabe ist, zur Reduktion von Komplexität bei der Suche nach adäquaten Arbeitshypothesen auf solche Hypothesen zurückzugreifen, die bereits wissenschaftlich ausgiebig überprüft und getestet worden sind und sich bislang wissenschaftlich bewährt haben. Unabhängig von der Art der vorangegangenen wissenschaftlichen Unterstützung der Hypothesen, die wie Popper bereits aufzeigte, immer als vorläufig noch nicht wiederlegt, jedoch vielleicht nie als endgültig bewiesen betrachtet werden dürfen, gibt es mehr oder weniger sichere Annahmen.
Nach Karl Popper haben sich Hypothesen beispielsweise dann am besten bewährt, je öfter sie ernsthaften [und intelligent durchgeführten] Widerlegungsversuchen getrotzt haben. Popper kritisierte mit Scharfsinn ausführlich die sogenannte induktive Beweisführung. Der wissenschaftlich Kundige verfügt heute über die Möglichkeiten kurzatmige Beweisführungen adäquat einzuschätzen, wenn das Forschungsdesign der Hypothesenprüfung offengelegt wird.
Zu den wissenschaftlichen Disziplinen, die in den letzten Jahrzehnten für enormen Erkenntniszuwachs geführt haben, ist die moderne Gehirnforschung zu zählen. Mit der Hilfe dieser der Pädagogik benachbarten Wissenschaft konnten auch pädagogische Hypothesen auf den Prüfstand gehoben werden.So konnte die moderne Hirnforschung dazu verwertet werden, die Qualität verschiedener pädagogischer Hypothesen besser zu bewerten.
„Hirnforscher bestätigen Vieles, was man in der Pädagogik schon weiß. Sie können aber zeigen, warum es so ist.“ (Spitzer, 2006, 34)
Eine zeitgemäße Pädagogik, wie die ressourcenorientiert- multimodal- integrative Therapie (RIM-Therapie/RIM-Pädagogik) ignoriert diese Forschungsergebnisse nicht, sondern nutzt sie in der Praxis zur fundierteren Auswahl ihrer Arbeitshypothesen.
Eine solide wissenschaftsorientierte Vorgehensweise geht längst nicht mehr schlicht ’aus dem Bauch heraus’ vor. Es ist auch nicht mehr angezeigt, sich ausschliesslich der eigenen persönlichen (subjektiven) Erfahrung zu bedienen.
Denn die Plausibilität des eigenen individuellen Alltagsverständnisses hinkt den Erkenntnissen multidisziplinärer wissenschaftlicher Forschung um einiges hinterher. Die synergetischen Effekte multidisziplinärer Teamarbeit gilt es zu nutzen, wenn auf dem aktuellen Stand der möglichen Erkenntnis angeknüpft werden möchte.
Kurz: Es geht darum, die eigene pädagogische oder therapeutische Arbeit auf einem möglichst soliden Fundament zu errichten, d.h. auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis. Vorurteile, Ideologien oder unüberprüften Dogmen mögen zwar für den einen oder anderen subjektivstischen und spekulativen Individualisten weiterhin interessant erscheinen, doch führt der Weg durch dieses Tor aus der Wissenschaft heraus.
Die Pädagogik als Wissenschaft hat sich bereits seit Jahrhunderten auf die Erforschung des L E R N E N S konzentriert und dabei eine Vielzahl von Konzepten und Modellen produziert.
Daher gilt die oben erläuterte Notwendigkeit, Komplexität zu reduzieren auch auf diesem Gebiet. Auch hier ist es hilfreich, gut überprüfte und bewährte Annahmen von weniger fundierten zu scheiden.
Die Ergebnisse der modernen Hirnforschung haben gerade für das Gebiet der Lerntheorie eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Das pädagogische Handeln kann hier auf eine soliden Wissensbasis aufbauen.
Es sei auch daran erinnert, dass wir unter Verwendung einer Theorie immer gezwungen sind, von Annahmen auszugehen, die zumindest für die Zeit ihrer Verwendung akzeptiert und vorausgesetzt werden. Frei von Vorannahmen, frei von Theorie soll und kann kein systematisches, wissenschaftsorientiertes Vorgehen sein.
Da weder der pädagogisch noch der therapeutisch arbeitende Praktiker in erster Linie forscht, sondern Forschungsergebnisse anwendet, entlasten gute Algorithmen zur Reduktion von Komplexität, die auch dazu geeignet sind, solide wissenschaftliche Erkenntnisse von weniger gut abgesicherten zu differenzieren.
Letztlich steigt und fällt die Qualität der in der sozialen Praxis realisierten Arbeit mit ihren Grundlagen.
Zusammenfassung:
Die soziale Praxis sollte auf relevante, gut fundierte Forschungsergebnisse basieren.
Der Hirnforscher Manfred Spitzer bietet gut fundierte Orientierungshilfen. In fünf Zitaten werden relevante Erkenntnisse aus der Hirnforschung aufgezeigt:
"Beim Musizieren zum Beispiel werden im Gehirn Belohnungsmodule aktiviert. Man muss Musizieren nicht eigens belohnen, weil die Tätigkeit selbst belohnend ist." (Spitzer, 2006, 34)
"Man muss aufgreifen, was die Kinder ohnehin interessiert, zum Beispiel im Sommer damit arbeiten, was gerade wächst. Sport und Musik sollten ohne Konkurrenz und Leistungsdruck gefördert werden. Das wird viel zu wenig getan. Kinder möchten von sich aus musizieren und sich körperlich bewegen." (Spitzer, 2006, 34)
"Man könnte der Auffassung sein, dass mit Angst gut gelernt werden kann. So wie man die Hand kein zweites Mal auf die heiße Herdplatte legt. Wir können aber zeigen, dass der emotionale Zustand des Lernenden bestimmt, mit welchem Gehirnmodul ein Inhalt gelernt wird. Das gleiche Material wird in guter Stimmungslage von Gehirnbereichen gelernt, die für Lernen und Gedächtnis zuständig sind, unter negativer emotionaler Befindlichkeit sind jedoch Gehirnbereiche aktiv, die Angst und daran gekoppelte Reaktionen vermitteln. Angst und Kreativität aber schließen sich gegenseitig aus. Das finden Sie heraus, wenn Sie dem Gehirn beim Lernen zuschauen. Wenn wir Kinder so unterrichten wollen, dass sie in 30 Jahren Probleme besser lösen, brauchen wir also Unterricht in einer positiven Atmosphäre." (Spitzer, 2006, 34)
"Es geht um das positive Erlebnis, etwas zu bewältigen. Das haben Sie auch, wenn Sie einen Berg besteigen, selbst wenn es hart war. Wenn aber, wie leider in vielen Klassenzimmern der Fall, Zynismus und Sarkasmus herrschen, dann wird mit Angst gelernt, und das verhindert später kreatives Problemlösen." (Spitzer, 2006, 34)
"Schon in den 1950er Jahren fand man heraus, dass ein bestimmter Bereich im Gehirn Glücksgefühle erzeugt, wenn er elektrisch stimuliert wird. Dieser Nucleus accumbens, das wissen wir seit wenigen Jahren, sorgt aber immer dann für eine bessere Verarbeitung der eingehenden Information, wenn das, worum es geht, positiv ist. Wir haben damit neurobiologisch verstanden, dass das positive Emotionssystem unseren Lernturbo darstellt und dafür sorgt, dass Dinge besonders intensiv gelernt werden. Gute Gefühle sorgen dafür, dass mehr Synapsen mit Impulsen versorgt werden. Dadurch wird mehr gelernt." (Spitzer, 2006, 35)
"Stofflernen sollte in der Schule niemals stattfinden. Das ist genau das, was nicht behalten wird. Es geht beim Lernen immer darum, dass man sinnvolle Dinge tut und sinnvolle Zusammenhänge herstellt. Dann hat man eine Chance, dass etwas hängen bleibt. Das berühmte Stofflernen gehört flächendeckend abgeschafft, auch im Studium. Angehende Ärzte lernen Anatomie und vergessen sie nachher wieder. Was aber wirklich wichtig ist, wird oft gerade nicht behalten. Wir müssen davon wegkommen, Einzelheiten und Fakten zu lernen, und dahin kommen, sinnvolle Zusammenhänge zu lernen. Fakten kann man nachschauen, die braucht man nicht auswendig zu lernen. Über Zusammenhänge muss man nachdenken, sie muss man wissen, und das macht auch Spaß. Alles, was auf Paukerei hinausläuft, ist falsch." (Spitzer, 2006, 35)
Die ressourcenorientierte, integrative und multimodale soziale Arbeit (RIM-Konzeption) kann auch auf aktuelle und verhältnissmässig gut abgesicherte Ergebnisse der Gehirnforschung fundieren.
Quelle:
Spitzer, Manfred im Interview mit Psychologie Heute (2006) „Wer seinem Kind etwas Gutes tun will, kaufe ihm bitte keinen Computer“ In: Psychologie Heute, Januar 2006, Weinheim: Julius Beltz Verlag.
www.psychologie-heute.de
2006/03/10
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