2006/03/07

Die Strukturierung der Zeit

„Wir befinden uns ständig auf einem Zeitpfeil, der das Jetzt im selben Moment, da wir es erkennen, bereits in ein Vergangenes verwandelt und das Zukünftige in die Gegenwart hereinholt. Beim Musikhören wird uns das auf besondere Weise bewusst, weil es um nichts anderes geht. Dabei wird die Menge der Ereignisse, an die wir uns erinnern können, ständig größer, das, was vor uns liegt, dagegen immer weniger. John Cage hat das in seiner unnachahmlichen Art beschrieben. Einfach und klar auf dem Punkt gebracht:“ (Metzmacher, 2005, 32)

Das Hören hat die Eigenschaft, dass man etwas hört und dann feststellt, dass man es nicht mehr hört, sondern etwas anderes. Das ist das Wesentliche beim Hören. Wenn man ein Bild betrachtet, hat man nicht das Gefühl, dass es irgendwann verschwindet. Hört man aber Töne, so hat man den Eindruck, dass sie verklingen und andere an ihre Stelle treten. Man wird dazu gebracht, dem zeitlichen Verlauf der Ereignisse seine Aufmerksamkeit zu widmen. Man erkennt, dass man sich im direkten Kontakt mit der Vergänglichkeit befindet.“
(John Cage, zitiert in: Metzmacher, 2005, 32)

“Das Phänomen des Erinnern ist seinem Wesen nach ein musikalisches. Ein Lied, ein Tonfall, eine Stimme, im selben Augenblick klingt es aus alter Zeit zu uns heran. Etwas dämmert aus der Vergangenheit heraus, das bereits gefühlt, gehört, gerochen, gesehen war. Leise, manchmal schwer greifbar, unscharf und schwach. Eine ganze Kette kommt in Bewegung. Wir fühlen uns zurückversetzt in eine andere Zeit.“ (Metzmacher, 2005, 34)

Herzlichen Glückwunsch Herr Ingo Metzmacher! Gerade erst ein paar Seiten gelesen und schon bin ich begeistert. Ein geistreiches Buch, es macht Spass darin zu lesen. Allein das Kapitel ’Gespräch mit einem Komponisten’ ist so inspirierend wie lehrreich ...

Metzmacher, Ingo (2005) Keine Angst vor neuen Tönen. Eine Reise in die Welt der Musik. Berlin: Rowohlt.

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