2006/01/20

Armut als Bildungsproblem

In dieser Woche hatten wir Gelegenheit einen Ausschnitt aus dem öffentlichen Diskurs über Armut in Deutschland mitzubekommen. War es die Sendung im ARD ‚Menschen bei Maischberger’, in der ein recht fruchtbarer Austausch unter Experten mitverfolgt werden konnte.
Die Inhalte des aktuellen Armutsberichtes wurden zitiert und die Zuschauer erfuhren von 11 Millionen Menschen unter der Armutsrisikogrenze. Jedes 10. Kind ist betroffen! Das gibt zu denken.
Der Leiter der Wuppertaler ARGE, Thomas Lenz, berichtet von 440 000 Menschen allein in Wuppertal, die von dem Geld leben müssen, welches sie entsprechend dem ’Harz IV’ erhalten. ’Harz IV’ hat wie wohl bekannt, die ’Sozialhilfe’ abgelöst, die es nicht mehr gibt; darüber hinaus sind ehemalige Arbeitslosenhilfeempfänger in das so genannte ’Harz IV’ gerutscht.

Wohl einvernehmlicher Konsens bei den im Gespräch beteiligten Experten waren wohl folgende in der Diskussion ausgesprochene Gedanken:
- Der Mensch brauche etwas zu essen.
- Der Mensch brauche ein Dach über den Kopf.
- Der Mensch brauche etwas zum arbeiten.

Dies alles ist notwendig, um der Gefahr zu vereinsamen, aus der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden, begegnen zu können.

- Auch die Teilnahme am Bildungssystem wurde als absolut wichtiger Eckpunkt in der Expertendiskussion herausgearbeitet.

Dabei wurden konkrete Zahlen genannt:

Die Schere zwischen sozialem Erfolg und armutsbedingter vorprogrammierter Chancenlosigkeit setzt bereits bei dem Alter von 2 Jahren an, so in diesem Expertengespräch.

Gerade aus der psychoanalytischen Forschung wissen wir über die immense Bedeutung der frühen Kindheit, ja darüber hinaus der pränatalen Einflüsse auf den werdenden Menschen.

Aus der neurologischen Forschung wissen wir von der enormen Plastizität und Anpassungsfähigkeit gerade des jungen sich in frühen Entwicklungsphasen befindlichen Gehirns.
Auch aus der pädagogischen Forschung wissen wir um die Bedeutung gerade der frühen Jahre für die Schulbarkeit des Menschen. Dieses Wissen war bereits im vergangenen Jahrhundert derart in das Allgemeinverständnis eingedrungen, dass es enormer Anstrengungen in der Forschung bedurfte, die vorhandenen Potentiale an Lernfähigkeit auch bei erwachsenen Menschen und insbesondere auch bei alten Menschen herauszuarbeiten, in dessen Zügen dann auch zunehmend Konzepte zum Musikunterricht für Erwachsene entstanden und auch die Musiktherapie zunehmend an Bedeutung gewonnen hat.

Dieser Boom in der Erwachsenenbildung ab den 70-er Jahren des letzten Jahrzehnts war keine Selbstverständlichkeit, denken wir allein an die Altersgrenzen bei der Zulassung zum Musikstudium.

Die Wertschätzung der Bedeutung der Jugend für den gesellschaftlichen Fortschritt erlebte womöglich bereits seinen Höhepunkt. Einen nicht undeutenden Einfluss spielt dabei sicher die Altersverteilung in unserer zunehmend älter werdenden Gesellschaft, welche sich nicht zuletzt auch im Wahlverhalten für politische Entscheidungen niederschlägt. Die Interessenvertretung der jüngeren Bevölkerung ist entsprechend gering vertreten.

Doch gerade die Neuroplastizität der extrem formbaren Gehirne belohnt pädagogische und therapeutische Maßnahmen mit einem hohen Maß an erfolgreicher Veränderung.

Und auch von monetärer Bedeutung:
Wie viel Kosten für eine nachträgliche Pädagogik können gespart werden, wenn wir den tatsächlichen gesellschaftlich relevanten Bedürfnissen gerecht werden?

Hier sei in erster Linie das Bedürfnis nach guter Erziehung genannt. Hier muss beispielsweise nicht nur den Kindertageseinrichtungen eine ausgesprochen hohe Bedeutung beigemessen werden!

Hier sei in zweiter Linie das Bedürfnis nach einer guten Bildung – und damit verbunden nach sozialer Integration – genannt.

Fehler die bereits auf diesen beiden Gebieten gemacht werden sind folgenschwer!

Dies gilt nicht nur für psychische und soziale Deprivation, sondern es belastet auch die Gesellschaft mit erheblichen Kosten.

Zu nennen sind hier die Kosten des Gesundheitssystems für Psychotherapie (als nachträgliche Pädagogik) und für die Behandlung psychosomatischer Erkrankungen (Übergewicht, Sucht, Herz-Kreislauferkrankungen, etc); dazu sind auch zu rechnen die Kosten durch unqualifizierte Erwerbslose und auch die Kosten, die durch Menschen mit abweichendem Verhalten verursacht werden (Kosten im juristischen Systems inklusive der Verwahrungs- und der Resozialisationskosten).

Versäumnisse werden hart bestraft. Dies gilt insbesondere auch für Versäumnisse bei der notwendigen Anpassung politischer Entscheidungen hinsichtlich wichtiger Steuerungungsentscheidungen.
Hier stellt sich die entscheidende Frage: wie die monetären Kreisläufe unserer Steuersysteme kreisen.

In der Diskussion bei Maischberger wurde diese wichtige Frage nach der optimierter Steuerung unserer Gesellschaft angeschnitten. Es ist eine entscheidende Frage. Und sie ist noch lange nicht zu Ende diskutiert!

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