"Eine aktuelle Studie zur Qualitätssicherung in der ambulanten musiktherapeutischen Praxis zeigt, dass der Behandlungsschwerpunkt mit 72 Prozent deutlich im Bereich der Kindertherapien liegt (Wormit et al, 2002)" (Plahl, Koch-Temming, 2005, 15)
"Eine grundsätzliche Trennung in Kinder- oder Erwachsenentherapie ... wurde bislang innerhalb musiktherapeutischer Ausbildungen nicht realisiert." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 54)
Im Kapitel 'Anforderungen an Kindermusiktherapeuten' weisen Professor Dr. Christine Plahl und Hedwig Koch-Temming (Diplom-Pädagogin und Diplom-Musiktherapeutin) darauf hin:
"Kindermusiktherapeuten sollten - auch schwierige - Kinder mögen! Dies mag für viele selbstverständlich sein, wird aber nicht selten in der Praxis auf eine harte Probe gestellt: Kinder sind laut, spucken oder treten, dreschen auf Instrumente ein und toben manchmal buchstäblich über Tische und Bänke. Manche Kinder sind ständig in Bewegung und verlangen das dann auch vom Therapeuten." (Plahl, Plahl, Koch-Temming, 2005, 55)
"Der ausschließliche Kontakt mit schwierigen oder auffälligen Kindern kann zudem die Sicht verstellen, kindliches Verhalten angemessen zu bewerten und einzuschätzen. Für Kindermusiktherapeutinnen ist es daher notwendig so viel als möglich Kontakt zu altersgerecht entwickelten Kindern zu pflegen." (Plahl, Koch-Teming, 2005, 55)
In den 'Grundlagen der Kindermusiktherapie' widmen sich die beiden Autorinnen musiktherapeutischen Ansätzen mit Kindern, die wie folgt eingeordnet werden:
- Anthroposophische Musiktherapie mit Kindern
- Verhaltenstheoretisch orientierte und analytisch orientierte Musiktherapie mit Kindern
- Musiktherapie nach Juliette Alvin
- Psychoanalytische und analytisch orientierte Musiktherapie mit Kindern
- Schöpferische Musiktherapie nach Paul Nordhoff und Clive Robbins
- Musiktherapie nach Gertrud Orff
- Entwicklungsorientierte Musiktherapie mit Kindern
- Integrative und humanistisch orientierte Musiktherapie mit Kindern
- Regulative Musiktherapie mit Kindern
- Systemische und lösungsorientierte Musiktherapie mit Kindern
Eine Einschätzung für zukünftige Entwicklungen der Musiktherapie mit Kindern wird gegeben:
"Es zeichnet sich ab, dass auch in der Musiktherapie mit Kindern - ähnlich wie in der Psychotherapie insgesamt - künftig übergreifende integrative Theoriekonzepte wie beispielsweise das der Salutogenese oder der Systemischen Therapie und neue therapeutische Haltungen wie etwa lösungs- und ressourcenorientierte Vorgehen in Verbindung mit neuen Erkenntnissen aus den Neurowissenschaften prägend sein werden." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 51 )
Zielsetzungen, methodische Vorgehensweisen, theoretische Hintergründe, etc. werden von den Autorinnen aufgezeigt.
Bei der Durchsicht der 'Grundlagen der Kindermusiktherapie' wurde auf ressourcenorientierte, integrative und multimodale Aspekte (RIM) geachtet.
Multimodale und integrative Aspekte können in der Beschreibung des musikpädagogisch-musiktherapeutischen Ansatzes von Juliette Alvin (1897-1982) entdeckt werden. Die Beschreibung der Alvin'schen Musiktherapie verweist auf deren dreistufige therapeutische Arbeit mit autistischen Kindern. Zwei "wichtige Ziele" der Alvin'schen Musiktherapie sind:
1.) das Herstellen verschiedener Arten von Beziehungen mit der Welt
2.) das Wachstum des Kindes in seiner körperlichen, intellektuellen und sozial-emotionalen Entwicklung
Bei dieser therapeutischen Vorgehensweise wird Wert darauf gelegt, sich zuhörend in die Welt des Kindes einzufühlen und die Aufgabe besteht darin, eine musikalische Beziehung zu dem autistischen Kind aufzubauen. Während es im ersten Stadium der Arbeit darum geht, eine Beziehung zwischen dem Selbst des Kinds und den Objekten aufzubauen und dabei "die sensomotorische Bewusstheit des Kindes, seine Wahrnehmung und die Integration seiner Sinneswahrnehmungen zu entwickeln." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 41), geht es in der zweiten Phase um die Beziehung zwischen Therapeut und Kind. In die dritte Phase kommt das Kind, wenn der Therapeut zu der Einschätzung kommt, dass von der Einzel- zur Gruppenarbeit übergegangen werden kann, das Kind sich auch Dritten gegenüber öffnen kann. (vgl. a.a.O.)
Im Sinne der RIM-Perspektive läßt sich sowohl der multimodale (M), wie der integrative (I) Aspekt in der Beschreibung dieses Ansatzes finden, vergleiche etwa das Zitat im letzten Absatz.
Bei der Darstellung der 'Schöpferische Musiktherapie nach Paul Nordhoff'' wird die ausgeprägte Ressourcenorientiertheit sowie der integrative Aspekt der Schöpferischen Musiktherapie von den beiden Autorinnen aufgezeigt:
Bezugnehmend auf Gustorff (1996) schreiben die Autorinnen:
"In der Schöpferischen Musiktherapie werden kreative und ästhetische Aspekte des Musizierens betont und die Fähigkeit zu künstlerischem Schaffen wird als entscheidendes Merkmal des Menschseins verstanden. ... Das Kind wir vor allem mit seinen musikalischen Potenzialen gesehen, ..." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 44 )
und unter Verweis auf Nordhoff & Robbins (1986):
"Im Zusammenwirken seiner rezeptiven und expressiven Fähigkeiten kann das "Music Child" durch schöpferische Beteiligung in der musikalischen Aktivität Selbstverwirklichung und Integration erreichen." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 44)
In der Beschreibung der Musiktherapie nach Gertrud Orff heben die Autorinnen alle drei RIM-Aspekte hervor, so kommen sowohl das Ressourcenoriente, das Integrative und insbesondere auch das Multimodale der Orff'schen Musiktherapie zum Ausdruck:
"Gertrud Orff (1914-2000) hat als eine Pionierin der Musiktherapie mit Kindern in Deutschland eine Musiktherapieform entwickelt, die durch ein elementares Musizieren alle Sinne ansprechen und so die Entwicklung unterschiedlich behinderter Kinder umfassend fördern und ihre schöpferischen Fähigkeiten entfalten will ..." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 45)
"Entsprechend werden in der Orff-Musiktherapie nicht nur die akustische Wahrnehmung, sondern möglichst viele Sinne des Menschen angesprochen. Klangeindrücke werden mit visuellen, taktilen und kinästhetischen Erfahrungen verbunden und neben den Musikinstrumenten werden auch andere Spielmaterialien wie Tücher, Reifen oder Bälle sowie der Körper mit einbezogen.
In einer so gestalteten multisensorischen Therapie ist der Einsatz der musikalischen Mittel .... so gestaltet, dass er alle Sinne anspricht. Dadurch wird es möglich, mit multisensorischen Impulsen auch da noch anzusetzen, wo ein wichtiges Sinnesorgan ausfällt oder geschädigt ist." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 46)
Die Regulative Musiktherapie von Schwabe wird als ein symptomzentriertes psychotherapeutisches Konzept beschrieben, in dem eine akzeptierende therapeutische Haltung gefordert ist. Die Ziele der regulativen Musiktherapie werden aufgezeigt:
- Anregung der emotionalen Reflexionsfähigkeit
- Steigerung der sozialen Interaktionsfähigkeit
- Werteerweiterung hinsichtlich der ästhetischen Erlebnis- und Genussfähigkeit
Handlungsorientiertheit (Tätigkeitsprozess) und Wahrnehmungsintegration aus unterschiedlichen Sinneskanälen werden im Kapitel 'Regulative Musiktherapie mit Kindern' auch dem Ansatz von Brückner et al (1991) zugeschrieben:
"Gemeinsamkeiten mit dem Konzept der Regulativen Musiktherapie finden sich auch im kindermusiktherapeutischen Ansatz von Brückner et al (1991). Grundlegend für das von ihnen entwickelte Musiktherapiekonzept ist der Tätigkeitsprozess, bei dem die akustische, optische und taktile Wahrnehmung eine Einheit bilden." (Plahl, Koch-Temming, 2005, 50)
Zusammenfassung:
Bereits in den Grundlagen der Kindermusiktherapie nach Christine Plahl und Hedwig Koch-Temming werden ressourcenortientierte, integrative und multimodale Aspekte (RIM) betont.
Quelle: Plahl, Christine; Koch-Temming, Hedwig In: Plahl, C.; Koch-Temming, H. (Hg.) (2005) Musiktherapie mit Kindern. Bern: Hans Huber.
e-mail: plahl.bb@ksfh.de und hekochte@udk-berlin.de
2005/11/23
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