Auch die letzte Pisa-Studie bescheinigte uns eine gewisse Rückständigkeit. Vielleicht hat diese auch unsere innovative Schwäche bedingt.
Inzwischen hat sich die verengte Perspektive offenbar doch etwas erweitert. Es gibt Licht am Horizont. So könnte nun auch die Musikpädagogik aus dem Schatten treten um nutzbare Kapazitäten aufzuzeigen.
Das gemeinsame Musizieren hat für Musiktherapeuten wie Leslie Bunt einen hohen Stellenwert (Interaktion).
"Die tiefste Befriedigung, die Musik vermittelt, resultiert wahrscheinlich aus dem Gefühl sozialer Teilnahme." (Bunt, 1998, 82)
Musizieren als angstfreies, spielerisches Lernen erfahrbar machen. Spielen können, den hohen Wert spielerischer Aktivitäten realisieren, das ist schon nicht wenig. Das künstlerische Musizierens ermöglicht Einsichten in das Potenzial des spielerischen Übens. Beim Musizieren werden unterschiedliche Fähigkeiten trainiert, aber auch integriert. Dies betrifft nicht nur Fähigkeiten der motorischen Kontrolle und des emotionalen Ausdrucks, sondern auch hebbare kognitive Potenziale. Das Zusammenspiel beim Musizieren integriert also in sehr heterogener Weise. Mit Musik als Medium können also geistige Fähigkeiten geschult und gestärkt werden.
Das aktive Musizieren ermöglicht diese Art von Training, in der das Zusammenspiel von emotionalen und kognitiven Fähigkeiten eingeübt und sukzessiv auf ein höheres Niveau gehoben werden kann.
Denn eine adäquate Anleitung beim Umgang mit dem Medium Musik strebt sowohl die Verbesserung des künstlerischen Potentials eines Menschen an, zu dem auch die Stärkung des Individuums (Willensstärke, Ausdrucksfähigkeit, Individualität) wie auch die die Stärkung der systematisierenden und ordnenden kognitiven Fähigkeiten gehören. Beim integrativen Prozess spielt der verbesserte Umgang mit dem eigenen Körper eine entscheidende Rolle.
Die hohe integrative Kapazität des Musizierens begründet sich, wie hier zugegeben werden muss, an der Notwendigkeit, kognitive, emotionale und motorische Anforderungen beim Musizieren zu erfüllen. Diese Anforderungen können durchaus die Angst vor dem Versagen speisen, und nicht wenig spricht dafür, dass die Angst es ist, die als Wurzel großer Übel erkannt werden muss.
'Der Angst nach', das ist der Weg, den viele Menschen meiden. Es ist die Angst, die das Leben und die eigene Entwicklung so stark einzuschränken vermag, dass viele bereits aufgeben, bevor sie überhaupt versucht haben, ihre Kräfte zu konzentrieren und zu bündeln. Das ist schade. Denn wir beobachten dieses Vermeidungsverhalten in den meisten Bereichen der sozialen Arbeit.
Das hat verschiedene Gründe, einer davon hat mit den erschreckenden Bildungsmängeln zu tun, die als Folge einer verfehlten Bildungspolitik identifiziert worden sind. Nicht nur die Pisa-Studie zeigt den erschreckenden Bildungsrückstand des deutschen Bildungssystem im internationalen Vergleich auf. Wir in Deutschlannd sind im wörtlichen Sinne zurückgeblieben, so dass derzeit von einer umfassenden deutschen Behinderung gesprochen werden kann. Dabei geht es um Entwicklungsdefizite, die es aufzuarbeiten gilt, um in Zukunft wieder international anschlussfähiger zu werden.
Um dieses Ziel zu ereichen muss unsere Gesellschaft mehr in die gezielte Frühförderung investieren. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir derzeit zumindest über eine fachlich ungewöhnlich kompetente, aber auch öffentlichkeitswirksame Familienministerin verfügen.
Die Ministerin weiß sehr genau, dass die ersten Lebensjahre eines Menschen entscheidend sind für sein ganzes spätere Leben. Unsere Gesellschaft darf die Bildungschancen der frühen Kindheit nicht mehr unreflektiert und leichtsinnig verspielen. Bei der Investition in Bildung sollte a) der zeitliche Einsatz der Mittel nach vorne, in die frühen Kindheitsjahre verschoben werden. Denn die Investition in Bildung ist gerade in der frühen Kindheit von erheblicher Bedeutung. Denn was hier versäumt wird, kann später kaum aufgearbeitet werden. Diese alte Weisheit der Psychotherapie wurde seit 100 Jahren erstaunlicherweise noch nicht adäquat in unserer Gesellschaft umgesetzt. Statt dessen wird nach wie vor erst behandelt, wenn 'das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist'. In der psychosozialen Praxis offenbaren sich solche Fehler mehr als deutlicht.
Nachhaltigkeit, Effizienz und Effektivität werden zwar bereits verbalisiert, müssen aber noch in der Erziehungs- und Bildungsrealität erreicht werden.
Unsere rückständige Entwicklung schreit nach strukturellen Veränderungen. Synergieeffekte und Multiplikatorenarbeit sollten besser genutzt werden. Fachlichkeit sollte, und das ist das Entscheidende, auch beim Klientel ankommen. Denn wenn Säuglinge, Kleinkinder und Vorschulkinder von ihren Eltern nur unzureichend gefördert werden können, hilft keine Geldinvestition nach dem Gießkannenprinzip. Erziehungsgeld für Eltern nutzt weder Synergieeffekte noch befähigt es selbsterziehende Eltern.
Statt dessen sollten der Bevölkerung nun tatsächlich auch fachliche qualifizierte Erzieher zur Förderung in der frühen Kindheit zur Seite gestellt werden. Gerade die kleinsten Kinder müssen adäquat gefördert werden, darauf kommt es an. Während zu lange nur auf die Rechte der Eltern geschaut wurde, gilt es nun, die Entwicklungschancen der Kinder zu verbessern. In unserer Gesellschaft ist ganz klar vor allem die Strukturverbesserung des öffentlichen Erziehungssystems angezeigt.
Wenn das Niveau in unserer Gesellschaft angehoben werden möchte, ist der monetäre Einsatz öffentlicher Gelder in die Modernisierung des öffentlichen Erziehungs- und Bildungssystems der effizienteste und effektivste Weg.
Spätestens seit der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer die Bedeutung der Musik für das Gehirn öffentlichkeitsrelevant publiziert hat, wissen wir auch viel besser, wie die Frühförderung der kleinsten Mitglieder unserer Gesellschaft tatsächlich zu revolutionieren ist. Statt unsere Kinder zu unterfordern oder zu überfordern benötigen wir eine kindgerechte Förderung, die unsere Kinder altersgemäß fördern kann. Hier geht es nicht mehr um Zuckerbrot und Peitsche, sondern darum, einen passenden Rahmen zu gewährleisten, in dem Spass und Lebensfreude sich entwickeln können, in dem an die natürliche Lernfreude angeknüpft wird mit einer altersgemäßen Pädagogik. Das Wissen, wie gelebt werden kann, ist vorhanden. Warum sollte es nicht auch allen gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden? Wir wissen heute, dass eine Elitenförderung vor allem nur eine kleine Minderheit fördert, die es womöglich noch nicht einmal (finanziell) nötig hat.
Literatur:
Spitzer, Manfred (2002)Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk. Stuttgart: Schattauer.
Bunt, Leslie Musiktherapie. Eine Einführung für psychosoziale und medizinische Berufe. Deutsche Bearbeitung von Hartmut Kapteina. Weinheim: Beltz.
Eine wegweisende Familienpolitik kommt von der
Familienministerin Ursula von der Leyen
2007/10/03
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