2007/07/26

Autogenes Training unter Einfluss von Musik nach Rudolf Burkhardt













Rudolf Burkhardt gehörte zu den Pionieren, die die Musiktherapie in der Medizin in Deutschland etablieren konnten. In 'Autogenes Training unter Einfluss von Musik' knüpfte Burkhardt an die Arbeiten von Hildebrand Richard Teirich an, der als Herausgeber und Mitautor von 'Musik in der Medizin' bereits 1958 über Erfahrungen bei der Anwendung von Musik beim Autogenen Training berichten konnte. Im selben Buch veröffentlichte übrigens auch Bleuler seine Erfahrungen mit Musik beim Katathymen Bilderleben.

Der damalige Chefarzt der Neuro-Psychiatrischen Abteilung des Krankenhaus Ginsterhof in Rosengarten, Dr. Rudolf Burkhardt befaßte sich sehr intensiv mit Musiktherapie, er wurde auf diesem Gebiet als hochkompetentes Vorbild verehrt und seine bis heute relevanten Beiträge zur Musiktherapie können dieses Zeugnis bestätigen.

Der Mediziner Burkhardt war der Auffassung, dass unser Organismus dem biologischen und psychologischen Grundprinzip des harmonischen Wechsels von Spannung und Entspannung folgt und wir entsprechend nur von einem " ... Mehr oder Weniger an Spannung in unserem psychophysischen Grundverhalten" ausgehen können. Die im Autogenen Training gesuchte Entspannung von unseren Anspannungen läßt sich nach Burkhardt insbesondere in der Grundstufe des Autogenen Trainings in Einzelfällen durch Musik intensiver und nachhaltiger erzielen. Burkhardt bietet hierfür eine gute Begründung:

"Denn auch in der Musik herrscht das Gesetz von Spannung und Entspannung vor. So steigert sich z. B. eine Tonfolge, das Tempo oder der Rhythmus bis zu einem Höhepunkt und ebbt dann wieder ab. Dabei kann die Steigerung durch Dissonanzen (Spannungsklänge) noch erhöht werden, die sich schließlich in konsonante Klänge (Ruheklänge) auflösen; also dissonante Spannung führt zu konsonanter Entspannung, wobei die Auflösung ein Gefühl der Befreiung und Befriedigung erzeugt, wie auch das Entspanntsein im Autogenen Training einen so angenehmen Zustand hervorruft, daß manche Patienten ihn ungern wieder aufheben möchten." (Burkhardt, 1986, 68)

Rudolf Burkhardt setzte in seiner Musiktherapie den Aufforderungscharakter der Musik gezielt ein und er war davon überzeugt, dass mit Rhythmik, Melodik, Harmonik, Dynamik, Agogik, und Tongeschlecht sehr differenzierte Wirkungen erzielt werden können: Musik könne uns anregen, erregen, antreiben, aufwühlen, anspannen, aber auch ausgleichen, harmonisieren, besänftigen, beruhigen und entspannen.

Das autogene Training in der Unterstufe ist bei Menschen mit verschiedenen Störungsbildern nach Burkhardt mit Musik indiziert. Rudolf Burkhardt führt nicht nur verschiedene Störungsbilder auf, sondern begründet jeweils gut nachvollziehbar, warum das Autogene Training mit Musik gerade hier angezeigt sein könnte, so etwa: "Bei Menschen mit übermäßiger neurotischer Angst, weil diese stets zu erheblicher psychischer Anspannung und körperlicher Verspannung führt, die sich gerade angesichts aller neuen Anforderungen steigern, so daß bereits der Einstieg in das Autogene Training sehr erschwert ist. Entsprechende Musik kann hierbei eine angstlösende Funktion übernehmen und die Erwartungsspannung herabsetzen ..." (Burkhardt, 1986, 71)

Burkhardt gliedert und argumentiert bei der Korrelation von Musikrhythmus und Herz- bzw. Atemrhythmus:

"Interessant ist die Tatsache, daß eine Beruhigung durch Musik besonders dann oder überhaupt erst eintritt, wenn eine Korrelation zwischen Herz- und Atemrhythmus und dem Takt, d. h. den rhythmischen Akzentuierungen des Musikstückes stattfindet. Häufig vollzieht sich sehr rasch eine Anpassung der Herz- bzw. Atemrhythmik an den vorgegebenen Musikrhythmus, der selbstverständlich nicht treibend sein darf, sondern getragen sein muß." (Burkhardt, 1986, 70)

Burkhardt zeigt drei Methoden der Anwendung von Musik beim Autogenen Training, welche auch kombiniert werden können:

1. Musik vor Beginn des Trainings (um eine bessere Einstimmung und größere Intentionalität zu erreichen), 2. Musik während des Trainings (z.B. bei erhöhter Ablenkbarkeit durch Umwelteinflüsse),
3. Musik nach dem Training (zur Vertiefung des Trainingseffektes bei Musik)

Zur Auswahl geeigneter Musikstücke empfiehlt Burkhardt die Anamnese der Musikerfahrung des Übenden: "Wir fragen welche Musik er bevorzugt, welche er völlig ablehnt, welche ihn zu beruhigen vermag. Dabei ist das Instrumentarium mit den entsprechenden Klangfarben - z. B. Klavier, Streichinstrumente oder Orgel - genauso bedeutsam wie die Tonstärke, Tempo oder Tongeschlecht. So kann der Klang eines bestimmten Instruments bei einem Menschen ein Wohlgefühl und eine Beruhigung auslösen, bei einem anderen dagegen eher Unruhe erzeugen." (Burghardt, 1968, 74)

Für die Durchführung des Autogenen Trainings mit Musik empfiehlt Burkhardt (a.a.O. 74 f.):

Da die Musik akzeptieren werden müsse, sollte das ausgewählte Musikstück zunächst vorgespielt werden. Die Musik werde beim späteren Üben dadurch auch weniger ablenken, beim Autogenen Training mit Musik solle diese eher als Hintergrunderleben oder als Begleitung wahrgenommen werden.

Im Hinblick auf die Synchronisation von Atemrhythmus und Musikrhythmus sei sowohl die richtige Lautstärke und das richtige Tempo der Musik wichtig.

Für die angezielte muskelrelaxierende und/oder emotional entspannende Wirkung setzt Burkhardt auf Musik mit folgenden Eigenschaften:

- schwebender, schwingender, nicht stärker akzentuierter, gleichbleibender Rhythmus;
- Legato
- sanfte, fließende Melodie mit eher dunkleren Tönen und ausgewogener Harmonie, also weniger Dissonanzen, keine großen Intervalle und hohe Frequenzen
- langsames Tempo, also Largo, Adagio, Andante
- geringe Lautstärke
- weiche Klangfarbe, z.B. Oboe, Klavier, Cello, Violine, Orgel; die Breite des Orchesters ist meist wirkungsvoller als Solospiel
- die Tonarten C-Dur, B-Dur, B-Dur und F-Dur
- eine gewisse Monotonie der Musik, die auch langweilig wirken dürfe, wenn dadurch die Vigilanz herabgesetzt werden kann
(vgl. Burghardt, 1986, 75 f.)

Autoren wie Rudolf Burghardt empfehlen sich durch ihren Schreibstil wie auch durch Qualität und haben daher auch noch nach über 20 Jahren einiges zu bieten.


Quelle:
Burkhard, Rudolf (1986) Autogenes Training unter Einfluss von Musik. In: Hörmann, Karl (Hg.) Musik im Diskurs. Band 1 Musik- und Kunsttherapie. Bericht über das Symposion zur Musik- Kunst- und Tanztherapie vom 17.-19. September 1985 in der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Regensburg: Gustav Bosse Verlag.

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