mit einer rosenrothen Schleife am Busen
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791) veröffentlichte die Idee, Töne (Dur- und Mollakkorde) mit Charakterzuweisungen zu verbinden. Hierzu unterschied er gefärbte Töne (mit einem Vorzeichen versehen) von nicht gefärbten Tönen.
Die gefärbten Töne unterteilte Schubart in B Töne (Ausdruck sanfter, melancholischer Gefühle) und Kreuztöne (zum Ausdruck wilder und starker Leidenschaften). Die ungefärbten Töne verband Schubart mit Unschuld und Einfalt.
Bereits Walther Dürr erachtete diese Zuordnung von Schubart als bemerkenswert. Schubarts den Tönen zugeordnete Charaktere haben historische Bedeutung, können aber auch zum Spielen, Hören und Experimentieren einladen.
So könnte eine Zuordnung a) als eine zu überprüfende ’Hör-These’ behandelt werden oder b) für eine Improvisation genutzt werden oder ...
Damit Übung a) nicht allzu ernst ausfällt, sei daran erinnert, dass sich Musikinstrumente und Stimmfrequenz seit 1806 geändert haben.
Die folgende längerer Textpassage von Schubart wurde von Dürr übernommen. Zur Übersichtlichkeit wurde die Formatierung verändert (Neue Zeile nach Akkord, und Akkord fett)
“C dur,
ist ganz rein. Sein Charakter heißt: Unschuld, Einfalt, Naivetät, Kindersprache.
A moll,
fromme Weiblichkeit und Weichheit des Charakters.
F dur,
Gefälligkeit und Ruhe.
D moll,
schwermüthige Weiblichkeit, die Spleen und Dünste brütet.
B dur,
heitere Liebe, gutes Gewissen, Hoffnung, Hinsehnen nach einer bessern Welt.
G moll,
[irrtümlich bezeichnet als H moll], Mißvergnügen, Unbehaglichkeit, Zerren an einem verunglückten Plane; mißmuthiges Nagen am Gebiß; mit einem Worte, Groll und Unlust.
Es dur,
der Ton der Liebe, der Andacht, des traulichen Gesprächs mit Gott; durch seine drey B, die heilige Trias ausdrückend.
C moll,
Liebeserklärung, und zugleich Klage der unglücklichen Liebe. - Jedes Schmachten, Sehnen, Seufzen der liebestrunknen Seele, liegt in diesem Ton.
As dur,
der Gräberton. Tod, Verwesung, Gericht, Ewigkeit liegen in seinem Umfange.
F moll,
tiefe Schwermuth, Leichenklage, Jammergeächz, und grabverlangende Sehnsucht.
Des dur.
Ein schielender Ton, ausartend in Leid und Wonne. Lachen kann er nicht, aber lächeln; heulen kann er nicht, aber wenigstens das Weinen grimassiren. – Man kann sonach nur seltene Charaktere und Empfindungen in diesen Ton verlegen.
B moll.
Ein Sonderling, mehrentheils in das Gewand der Nacht gekleidet. Er ist etwas mürrisch, und nimmt höchst selten eine gefällige Miene an. Moquerien gegen Gott und die Welt; Mißvergnügen mit sich und allem; Vorbereitung zum Selbstmord – hallen in diesem Tone.
Ges dur.
Triumph in der Schwierigkeit, freyes Aufathmen auf überstiegenen Hügeln; Nachklang einer Seele, die stark gerungen, und endlich gesiegt hat – liegt in allen Applikaturen dieses Tons.
Es-moll.
Empfindungen der Bangigkeit des aller tiefsten Seelendrangs; der hinbrütenden Verzweiflung; der schwärzesten Schwermuth, der düstersten Seelenverfassung. Jede Angst, jedes Zagen des schaudernden Herzens, athmet aus dem gräßlichen Es moll. Wenn Gespenster sprechen könnten; so sprächen sie ungefähr aus diesem Tone.
H dur.
Stark gefärbt, wilde Leidenschaften ankündend, aus den grellsten Farben zusammen gesetzt. Zorn, Wuth, Eifersucht, Raserey, Verzweifelung, und jeder Jast des Herzens liegt in seinem Gebiethe.
Gis moll,
Griesgram, gepreßte Herz bis zum Ersticken; Jammerklage, die im Doppelkreuz hinseufzt, schwerer Kampf, mit einem Wort, alles was mühsam durchringt, ist dieses Tones Farbe.
E dur.
Lautes Aufjauchzen, lachende Freude, und noch nicht ganzer voller Genuß liegt in E dur.
Cis moll.
Bußklage, trauliche Unterredung mit Gott; dem Freunde; und der Gespielinn des Lebens; Seufzer der unbefriedigten Freundschaft und Liebe liegen in seinem Umkreis.
A dur.
Dieser Ton enthält Erklärungen unschuldiger Liebe, Zufriedenheit über seinen Zustand; Hoffnung des Wiedersehens beym Scheiden des Geliebten, jugendliche Heiterkeit und Gottesvertrauen.
Fis moll.
Ein finsterer Ton: er zerrt an der Leidenschaft, wie der bissige Hund am Gewande. Groll und Mißvergnügen ist seine Sprache. Es scheint ihm ordentlich in seiner Lage nicht wohl zu seyn: daher schmachtet er immer nach der Ruhe von A dur, oder nach der triumphirenden Seligkeit von D dur hin.
D dur.
Der Ton des Triumphes, des Hallelujas, des Kriegsgeschrey’s, des Siegsjubels. Daher setzt man die einladenden Symphonien, die Märsche, Festtagsgesänge, und himmelaufjauchzenden Chöre in diesen Ton.
H moll.
Ist gleichsam der Ton der Geduld, der stillen Erwartung seines Schicksals, und der Ergebung in die göttliche Fügung. Darum ist seine Klage so sanft, ohne jemahls in beleidigendes Murren, oder Wimmern auszubrechen. Die Applicatur dieses Tons ist in allen Instrumenten ziemlich schwer; deshalb findet man auch so wenige Stücke, welche ausdrücklich in selbigen gesetzt sind.
G dur
[irrtümlich bezeichnet als H dur]. Alles Ländliche, Idyllen = und Eklogenmäßige, jede ruhige und befriedigte Leidenschaft, jeder zärtliche Dank für aufrichtige Freundschaft und treue Liebe; - mit einem Worte, jede sanfte und ruhige Bewegung des Herzens läßt sich trefflich in diesem Tone ausdrücken. […]
E moll.
Naive, weibliche unschuldige Liebeserklärung, Klage ohne Murren; Seufzer von wenigen Thränen begleitet; nahe Hoffnung der reinsten in C dur sich auflösenden Seligkeit spricht dieser Ton. Da er von Natur nur Eine Farbe hat [ein Kreuz]; so könnte man ihn mit einem Mädchen vergleichen, weiß gekleidet, mit einer rosenrothen Schleife am Busen. […]" (Schubart, zitiert in Dürr, [veränderte Textformatierung] )
Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart, Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, Wien 1806, Kapitel Charakteristikstücke der Töne, S.377-380. Zitiert als Anlage. In: Dürr, Walther ( 1994) Sprache und Musik. Geschichte Gattungen Analysemodelle. Kassel: Bärenreiter. S. 175-276)
2006/07/26
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