2006/06/06

Moers Festival 2006: Sonntag und Montag

Das Moers Festival 2006 ist beendet. Und wieder haben wir erfahren: Musik ist eine Kunst in der Zeit. Dies gilt für nicht nur, wenn Musik live gespielt wird. Dies gilt auch nicht nur für improvisierte Musik. Denken wir allein daran, dass Musik immer in einem bestimmten Rahmen eingebunden ist. Wie dieser Rahmen die Wahrnehmung beeinflusst, so ist auch die psychische Verfassung, mit der gehört wird etwas konkret Einmaliges. Daher hat auch die Kraft großer Musik ihre Grenzen. Denn nicht jeder kann bedingungslos von ihr überzeugt und mitgerissen werden.

Die Kunst in der Zeit mag uns daran erinnern, das wir nur einmal Leben. Auch in der improvisierten Musik besteht jede Chance nur einmal. Die definitive Party Band in Moers stand für viele bereits vor dem Auftritt fest. Und tatsächlich resonierte der Auftritt von Balkan Beat Box zur ekstatischen Bewegungsorgie des Festivals. "Wenn Du jetzt nicht mitmachst, machst Du es nie!", "Du hast zwar schöne Fotos, aber Du warst nicht dabei," motivierte ein abgefahrener Tänzer aus dem Publikum. Die Musiker auf der Bühne gaben das Beste und schoben die Stimmung im Festzelt in enormer Weise an. Auch hier wurde die Wirkung mit einem auf das Konzert zugeschnittenem Video erweitert.

Bereits die ungarische Gruppe Pop Ivan hatte ein Video zur Erhöhung und Dramatisierung ihres schnellen und treibenden Vortrags in hervorragender Weise genutzt.

Mit dem unvergesslichen Höhepunkt am Montag überraschte der Vibrafonist Stefan Bauer, der ein ganz großes Abschiedskonzert für den zu früh gestorbenen Musiker Christoph Eidens vorbereitet hatte und mit Chris Bacas (Saxophon), Michel Cohen, einer hervorragenden Ausnahmesängerin, und Ugonno Okegwo (Bass) sowie Ted Poor an den Drums auf einer sehr hohen Ebene und mit einer solchen Atmosphäre zum Ausdruck bringen konnte, die erlebt werden musste.

Mit großer innerer Ruhe entfaltete Nils Petter Molvaer seine eindrucksvolle Performance. Zu nennen sind hier unbedingt die Musiker Eivind Aarset (Gitarre), Bill Laswell (Bass), Hamid Drake (Drums) und Aiyb Dieng (Perkussion). Ist es das Bewusstsein über die großartige Wirkung der eigenen Musik oder ist es eine ganz besondere innere Haltung, eine innere Ruhe und Entspanntheit, die Nils Petter Molvaer und seinen musikalischen Begleitern diese innere Freiheit ermöglichen, mit der sie ihre Improvisation aufbauen?

Einen besonderen Höhepunkt bot die durchgängige Intensität des Konzertes der Sängerin und Saxophonistin Matana Roberts mit Jason Palmer an der Trompete, Shoko Nagai am Flügel, Edward Perez (Bass) und Kendrick Scott (Drums)

Eine ausgesprochen überzeugende Bigband auf dem Festival: United Women's Orchestra feat Michael Schiefel.

Ein Orchester präsentierte Trash Metal: Cologne Contemporary Jazz Orchester.

Die Frage nach der bemerkenswertesten musikalischen Persönlichkeit dieses Festivals ist aufgrund des hohen Niveuas der meisten hier auftretenden Musiker alles andere als leicht zu beantworten. Das Bekenntnis zur Subjektivität aller Einschätzungen erleichtert es mir dennoch. Für mich war Arve Henriksen die beeindruckendste Musikerpersönlichkeit in Moers 2006.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, schön war's, konnte mir leider nur den Sonntag gönnen dieses Jahr.
Der Link hinter meinem Namen führt zu einer kleinen Foto-Galerie vom Sonntag (auf's Bild klicken!).

Grüße!

Musiklabor-Netzwerk hat gesagt…

Hallo Dieter,

vielen Dank! Dieser link zur Foto-Galerie enthält sehr gute Aufnahmen vom Moers Festival 2006.

Mit besten Grüßen
Gerd

 
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