2009/12/23

Wie funktioniert ein Schüler-Rockfestival?
Interview mit Stefan Heynen.

Stefan Heynen - Schüler Rockfestival 2011

Am 23.01.2010 ist es wieder so weit: das 24. Schülerrock - Festival in der Uni-Halle Wuppertal. Der Schlagzeuger und Veranstaltungstechniker Stefan Heynen wird im Interview die faszinierende Geschichte des Wuppertaler Schülerrock-Festivals erzählen. Anschließend beschreibt der Eventorganisator wie das große Festival im letzten Jahr organisiert wurde. 23 Jahre Erfahrungen beim Schüler-Rock-Festival kamen zur Geltung als im letzten Jahr 40 Bands dort ohne nennenswerten Zeitverlust auf einer Bühne spielten. Stefan Heynen zeigt im Interview wie so etwas funktioniert.
SH: Die Ronsdorfer Gesamtschule ist 1979 neu gebaut worden und ich war Schüler im ersten Jahrgang. Vier, fünf Freunde im Klassenverbund haben gesagt: "Wir haben Lust etwas zu machen." Der eine konnte schon ein bisschen Gitarre spielen und der andere konnte schon ein bisschen Keyboard spielen. Ich zum Beispiel konnte noch nichts spielen, habe aber gerne überall mal drauf rum getrommelt und hatte irgendwie auch dementsprechend ein bisschen Rhythmusgefühl. Und dann hat man gesagt: ok, dann machst Du das, dann machst Du das, und dann bin ich jeden Tag in die Musikabteilung runtergelaufen, um zu gucken, ob das neue Schlagzeug da war. Es war ja alles nagelneu sozusagen, es war ja auch die erste Gesamtschule Nordrhein-Westfalens.
Wir hatten damals schon einen sehr netten Musiklehrer, den Herrn Jäckel, der hat diese Arbeitsgemeinschaft Rockmusik angeboten. Es war auch das Besondere an der Gesamtschule, dass es neben den Unterrichtszeiten auch noch Arbeitsgemeinschaften gab. Und dann war in unserem Freundeskreis schon klar: wir wollten Musik machen.
Und dann wurde das erst so ein bisschen klassisch geleitet, aber mit Noten wollten wir gar nicht so viel zu tun haben. Im zweiten Jahr kam der Junglehrer Kalle Waldinger, der selbst früher in einer Rockband gespielt hatte: “Age of Aquarius“. Und der hat das Ganze den Kids näher gebracht. Er war auf gleicher Ebene mit uns und hatte eine besondere „Sprache“. Von daher sind wir sehr schnell zusammen gekommen und es hat sich dann eine Ernsthaftigkeit entwickelt. Das ist auch ganz wichtig, dass man da nicht nur drauf rum haut auf den Dingen und mal ein bisschen probt. Der Kalle sagte schon zu Beginn „Wir sitzen hier nicht nur zum Spaß. Wenn Ihr wollt, wir können auch mal ein paar Auftritte machen“ und so. Und da will man sich natürlich nicht blamieren. Also hat man sich entsprechend vorbereitet, schon in den jungen Jahren. Das ging dann Ratz Fatz. Es wurden sehr schnell schon die ersten Konzerte und Auftritte gespielt. Im ’Haus der Jugend’ wurde ein Tanztee initiiert, wo wir einmal im Monat regelmäßig spielten. Wir haben viele kleine Konzerte gespielt, im Jugendring, in Jugendzentren, auf Stadtfesten und so weiter.
Wir waren Schüler und Kalle Waldinger war einer der Lehrer. Er hatte uns eigentlich nicht direkt als Klasse unterrichtet, er hatte eben diese Arbeitsgemeinschaft neben der Unterrichtszeit. Und ja, da sind wir in den Pausen hin und nach der Schule ein, zwei Stunden. Aber man hat nie gesagt, so jetzt ist siebzehn Uhr und jetzt machen wir Schluss, sondern man hat so lange geprobt, wie der Song es brauchte oder die Band es brauchte. Es entwickelte sich der Ergeiz und Kalle war sehr engagiert und hat den Kids das wirklich vermittelt. Er hat die Gitarre immer wieder genommen und gesagt: „ Versuch das mal so zu machen“ und den Schlagzeuger hat er angeleitet den Rhythmus zu halten und so weiter. So ist das entstanden. Also wirklich aus dem Nichts kann man fast so sagen: aus vielen engagierten Kids, die Spaß daran hatten Musik zu machen. Ja. Aber keiner wusste, wo es hin ging. Und das hat man dann zwei, drei Jahre gemacht, und dann hat man gesagt. „ Hör mal, sollten wir nicht einmal einen Verein gründen?“ 1983 war es dann so weit und im Keller von Eltern eines jungen Musikers wurde der Verein gegründet. Das ging dann relativ schnell. Mit Kassenwart, Jugendwart, ersten Vorsitzenden, zweiten Vorsitzenden und so weiter, ein richtig eingetragener gemeinnütziger Verein, und über diese Vereinsschiene wurde das Ganze dann halt ein bisschen offizieller, vielleicht auch für einige Leute etwas seriöser. Und so konnte man auf dieser Plattform vielleicht auch besser kommunizieren. Gerade mit dem Ausland, mit den dortigen Deutschlehrern wurde kommuniziert, auf Symposien und Kongressen hat Kalle oftmals sein Rockprojekt vorgestellt. Ich denke, das wünschen sich viele Lehrer, so einen guten Kontakt zu den Schülern zu haben, so eine Verständlichkeit zu entwickeln, auf Gegenseitigkeit. Darüber wurde das Goethe-Institut auf uns aufmerksam und man hat dort gesagt: Wir können so etwas mal fördern. Das Goethe-Institut hat zum Beispiel Die Ärzte, Die Toten Hosen und viele andere deutsche Bands, einfach herumgeschickt, um die deutsche Sprache im Ausland bekannt zu machen. Ob in Japan oder in Cuba, überall hat das Goethe-Institut ja auch Büros. Und jetzt war das natürlich mit Schülern in dem Sinn nicht so zu machen, und dann haben wir gesagt: „Ja klar. Jetzt machen wir erst einmal das nähere Ausland.“ Vor allem natürlich Frankreich, rauf und runter, und dann kam auch schnell Dänemark, Polen und die Niederlande dazu, aber auch England, Irland und auch die anderen skandinavischen Länder und in den letzten Jahren sogar auch Italien. Die Touren gingen überall hin. Das war schon sehr intensiv so im näheren Ausland. Das hat man zum größten Teil alles mit dem Auto gemacht. Das heißt ein 3,5t Transporter voll mit Technik und ein Crew-Bus, der Band-Bus, wo dann halt die Instrumente und Musiker drin waren, Kalle als Tourleiter und ein, zwei Techniker, die das Ganze dann technisch betreut haben. So wurde das Ganze dann immer ein Stück professioneller. Es war nicht nur irgendwie ein bisschen aufbauen, sondern dann stand auch ein gewisser Anspruch dahinter. Wir wollten vor Ort ein Konzert-Flair, ein richtiges Konzert-Feeling rüber bringen. Schülerarbeit, ganz nah, ganz intensiv. Und so entwickelte es sich, dass ich das Rockprojekt, glaube ich, 1995 dann regelmäßig mit meiner vorhandenen Technik betreut habe.
Im übrigen ist der Verein letztes Jahr fünfundzwanzig Jahre alt geworden.



GF: Das heißt, es gab eine gewisse Arbeitsteilung. Das Licht hatte dann wahrscheinlich jemand anderes gemacht?

SH: Also bei Veranstaltungen, wie jetzt zum Beispiel nächsten Samstag (Schüler-Rock-Festival 2009) gibt es verschiedene Gewerke. Da gibt es dann einen leitenden Lichttechniker, einen leitenden Tontechniker und einen leitenden Bühnenbauer, und die haben dann ihre Leute, die Ihnen zuarbeiten. Also der Lichttechniker wird nächste Woche keine Lautsprecher aufhängen. Das macht dann das Gewerk Ton, das Gewerk Licht ist für die Scheinwerfer zuständig, und so weiter. Trotzdem geht alles Hand-in-Hand. Vor Ort sind wir mehr als 20 Leute, die alles nach genauer Vorgabe aufbauen und installieren. Dieser Aufwand ist nötig, da die Unihalle Wuppertal schon eine große Halle ist und bis zu 5000 Besucher erwartet werden. Das ist schon eine große Nummer.

GF: Wie sieht dann Deine Arbeit aus? Oder was machst Du dann?

SH: Ich betreue einmal die Auf- und Abbaucrew, die hier aus Wuppertal kommt. Die Firma, die die Technik stellt und das Schüler-Rockfestival seit fünf, sechs Jahren ganz klasse betreut, kommt aus der Nähe von Köln. Mit denen sind wir freundschaftlich verbunden und alles geht dann Hand-in-Hand. Insgesamt besteht das gesamte Team aus mehr als 20 Personen. Freitagabend beginnt der Aufbau für das Schülerrock – Festival. Zuerst werden die Trucks leer gemacht. Das ganze Material wird in die Halle gerollt. Die Traversen werden zusammen geschraubt und der Rigger ist schon in der Decke und installiert die Motoren mit den Ketten, an deren Ende sich ein Haken befindet. Durch eine elektrische Steuerung werden diese dann hinunter gefahren. Daran werden dann die Traversen eingehakt und auf Arbeitshöhe gezogen. Dann werden Licht und Lautsprecher installiert und natürlich verkabelt. Dann wird das Ganze mit den Motoren auf die vorgegebene Höhe gezogen. Somit hängt die Technik in der Decke, wie wir sagen. Danach wird die Bühne mit vielen Podesten aufgebaut, 12 mal 10 Meter. Dann kommt das Geländer drum herum. Gleichzeitig gibt es zwei, drei Leute, die den Regieplatz mit den Mischpulten aufbauen.
Das passiert alles parallel und ein Verbindungskabel, das sogenannte Multicore wird vom Regieplatz zur Bühne gezogen. Durch dieses Kabel laufen alle Signale, die von der Bühne kommen und wieder zurück zu den Lautsprechern geschickt werden. Das sind die Standardarbeiten, die vor einer Veranstaltung erledigt werden müssen.

Dann wird alles soweit spielfertig gemacht, das heißt, der Lichtmann steht hinter dem Lichtpult und sieht durch Hochschieben eines Fader, aha, die Lampe geht und die auch - schön.
Der Tonmann steht am Mischpult und hört, aha, Lautsprecher laufen alle (wohin denn nur? ), und so weiter. Und dann gibt es noch den Monitormann - ganz wesentlicher Punkt im Tonbereich bei Veranstaltung dieser Größenordnung. Er ist zuständig für den Sound, den die Musiker auf der Bühne hören und hat nichts mit dem Sound für das Publikum zu tun.
Stell Dir vor, der Sänger steht in einer Halle auf der Bühne, singt in sein Mikrofon, und seine Stimme wird über die Lautsprecher in die Halle übertragen. Das bewirkt ein „indirektes-sich-selbst-hören“, zeitversetzt, also verspätet. Das wirkt somit irritierend für den Künstler. Somit braucht ein Sänger, um tonal richtig zu sein einen Monitorlautsprecher, indem seine Stimme direkt zu hören ist. Und natürlich muss der Keyboarder sein Keyboard hören und der Schlagzeuger vielleicht ein bisschen Bass Drum und natürlich auch die Gesänge. Und dafür gibt es dann noch einmal ein separates Mischpult, einen separaten Tonmann, der neben der Bühne steht und den das Publikum gar nicht sieht. Er hält immer Augenkontakt zu den Musikern und falls einer sagt: „Könnte ich mal ein bisschen mehr Stimme auf meinem Monitor haben“, oder „ein bisschen mehr Gitarre bei dem Schlagzeuger auf dem Monitor“, dreht er gezielt an den vielen Knöpfen seines Mischpultes. Das ist dann die kurze Kommunikation, meist durch Handzeichen, die dann stattfindet.

Kommen wir zum Samstag. Am Samstag sind wir spätestens um 10:00 Uhr vor Ort. Dann wird die Bühne eingerichtet. Die ganzen Monitore werden positioniert und verkabelt. Stromanschlüsse für die Instrumente werden auf der Bühne nach Vorgabe verteilt. Die ganzen Mikrophonverbindungen, die Leitungen für die Stage-Boxen, an denen die Kabel vom jeweiligen Mikrophon eingesteckt werden, werden installiert . Und natürlich die ganzen Instrumente, das Schlagzeug, die Bassanlage, die Gitarrenanlage und so weiter, das Ganze wird aufgebaut. Das heißt also: Die Bühne steht, sie ist spielfertig. Das wird alles am Samstagmorgen gemacht. In der Zeit checkt dann der Tonmann die PA, also die Lautsprecher für das Publikum. Geplant ist, dass die erste Band ab halb zwölf zum Soundcheck kommt. Und die richtet sich dann ein. Ab zwölf Uhr geht dann der Soundcheck los. Dann werden die Instrumente tontechnisch gecheckt und am Mischpult eingestellt.

GF: Gilt das für jede Band?

SH: Nein, nicht für jede Band. Es gibt einen ganz klaren Soundcheck-Plan. Da wir, ich glaube, 45 Programmpunkte haben, und davon allein 40 Bands, kann man nicht jede Band testen – das geht nicht. Eine Band, die vielleicht schon etwas professioneller ist, macht den Basis-Soundcheck für Bass, Schlagzeug, die Gitarren, Keyboards und für die Vocals. Also das ist dann die heiße Phase, eine ganz, ganz wichtige Phase, damit wirklich abends der Sound gut klingt und die Musiker auch zufrieden sind. Alle wird man nicht zufriedenstellen, bei der Anzahl der Bands. Aber das Team besteht aus erfahrenen Technikern, die alle einen professionellen Anspruch haben.

GF: Wie ist das bei Euch? Ich habe mal gehört, ein Soundcheck mit leerer Halle ergibt andere Einstellungen als bei voller Halle. Aber da gibt es wahrscheinlich so Standardwerte?

SH: Genau. Das sind natürlich Erfahrungswerte. Wenn das Publikum kommt und die Halle füllt sich, klingt die Halle etwas anders, weil der Schalldruck durch die Zuhörer kompensiert wird. Somit klingt es mehr direkter.

GF: Wie wird das in der Praxis gemacht? Wird dann noch einmal kurz vorgecheckt?

SH: Ich sag’ mal so: Im Wesentlichen wird der Ton morgens eingestellt, die Halle ist dann noch leer. Der Tonmann hat natürlich die Erfahrung, dass er weiß, ich teste jetzt in einer leeren Halle, die Halle wird später anders klingen. Der Tonmann ist jetzt zum fünften oder sechsten Mal vor Ort und hat natürlich diese Punkte im Kopf. In der Regel nähert man sich dem optimalen Sound nach ca. 10 Minuten. Dann hat man seine Feinheiten eingestellt. Nicht zu vergessen ist aber auch, dass der Sound durch noch nicht so erfahrene oder einfach auch undisziplinierte Musiker im Gesamtbild leider auch beeinträchtigt werden kann – da kann dann der Tontechniker nur bedingt eingreifen.

GF: 40 Bands auf einer Bühne. Ich war beim letzten Mal sehr beeindruckt, wie schnell der Wechsel von einer zur nächsten Band gelang.

SH: Da kommen wir wieder zu meiner Aufgabe. Während des Festivals bin ich für das Stage-Management verantwortlich. Das heißt, alles, was auf der Bühne passiert, obliegt sozusagen meiner Verantwortung. Kalle Waldinger hat das Programm geschrieben. Das Programm sagt, welche Band als erstes spielt, als viertes, als siebzehntes und wie lange sie spielen. Das sind die Vorgaben. Daraus entwickle ich einen Plan, kombiniert mit weiteren wesentlichen Fragen. In welcher Besetzung kommt die Band auf die Bühne, also welche Instrumente sie spielen und wer alles singt. Das ist sehr wichtig. Durch eben diesen Gesamtplan, den ich vorher erstelle, wissen dann alle verantwortlichen Techniker und die Stagecrew, wer wie als nächstes spielt und was beim nächsten kurzen Umbau zu tun ist.



Außerdem hilft die Stagecrew bei möglichen Missgeschicken, wenn ein Kabel rausrutscht oder am Schlagzeug sich etwas beim Spielen löst.
Zudem ist sie für die Einhaltung der verschiedenen Spielzeiten verantwortlich. D.h. jeder Band wird kurz vor ihrem Auftritt noch mal ihre Spielzeit mitgeteilt. Also alle sind auf gleichen Infostand – eine digitale Stoppuhr misst genau die Spielzeit. Sollte einmal eine Band leicht überziehen, geben wir „vorsichtig“ Signale an die Band oder schicken sogar den Moderator auf die Bühne. Dann wird der Band durch den Tontechniker langsam der „Saft“ abgedreht und der Umbau für die nächste Band kann beginnen. Dieses passiert aber zum Glück nur ganz, ganz selten, da alle Bands sich freuen spielen zu dürfen und sich auch an die Spielzeiten halten. Sie wissen frühzeitig, wie lange sie spielen können und proben auch danach.

GF: Im letzten Jahr war der jüngste Teilnehmer ein acht Jahre alter Schlagzeuger.

SH: Ja, der Kalle sagt: „Auch die talentierten Jüngsten möchte ich gerne hier auf die Bühne holen. Das ist halt ein Querschnitt aus dem Spektrum musizierender Schüler.“

GF: Wenn der Plan steht, dann steht er.

SH: Ja, genau. Der Plan wird an alle wichtigen Leute verteilt, an den Lichtmann, an den Tonmann, an den Monitormann. Im Rockcafè und in allen Band-Kabinen. Am beleuchteten Bühnenaufgang wird ein Flip-Chart stehen, an dem ein Plan für die Stagecrew hängen wird. Da müssen alle Bands vorbei.
In dem Bühnenumlauf gibt es eine klare Aufteilung im Gegensatz zu den ersten Jahren. Es können nur noch die Bands in diesen Bereich, die auch gleich spielen werden. Hier bereitet sich eine Band final für ihren Auftritt vor - die andere Band spielt noch. Und die Band, die davor gespielt hat, wird von einem sogenannten Runner bereits in ihre Kabine zurückgeleitet. Die können dann später auch nicht wieder in den Bereich zurück. Denn es sind bei 40 Bands, und das mal fünf, 200 Musiker. Das geht einfach nicht. Also muss man die Übersicht behalten. Das ist ganz, ganz wichtig.

GF: Die sind relativ diszipliniert. Ja, das habe ich erlebt beim letzten Mal.

SH: In der Regel, ich sage mal zu 99,9 Prozent ist das alles auch wirklich geschmeidig und die Kids halten sich daran. In den letzten zwei Jahren gab es sogar Bands, die gesagt haben: „Wir spielen dann in diesen sieben Minuten nicht drei Stücke, sondern nur zwei, und die so, wie wir sie gelernt haben.“ Und dann waren das um die 6 Minuten. Und es gab Bands, die hätten 10 Minuten spielen können, die haben achteinhalb Minuten gespielt. Auch das kommt vor. Es ist jetzt nicht unbedingt wesentlich für eine Band, die vorgegebene Zeit auch wirklich auszufüllen. Die sollen ihren besten Song, ihre zwei besten Songs oder bei 10 Minuten ihre drei besten Songs präsentieren und lieber auf lange Vorspiele oder Solis verzichten. Es gab auch mal eine Band, die hatte drei oder vier Minuten für ein Vorspiel benötigt, ohne das der Sänger überhaupt einen Ton herausgebracht hatte, und als die nach siebeneinhalb Minuten das zweite Stück anfangen wollten, musste man halt sagen: „Es tut mir Leid. Jetzt ist Schluss.“ Es obliegt natürlich jeder einzelnen Band sich zu präsentieren. Ob sie instrumental etwas machen, ob sie dann nur Soli spielen, das muss jede Band selbst wissen.
Der Kalle hat im Vorfeld mit einer Jury entschieden, welche Bands spielen können. Es hätten bestimmt bis zu 500 Bands spielen wollen. Somit muss man dann Vorentscheidungen treffen.

GF: Ja. Die Bands sind schon ziemlich informiert. Ich habe die Tage mit den Herbs telefoniert und die haben gesagt: „Dann spielen wir zwei Lieder oder drei. Das ist ok.“ Und es ist ok. Sie kennen die Spielregeln.

SH: Ja. Das hat sich also wirklich gut durchgesetzt. Und es ist sehr, sehr gut organisiert. Es gibt zwei Runner, einer holt die nächste Band zur Bühne, der andere Runner bringt die Band, die gerade gespielt hat wieder in die Kabine. Die Band auf der Bühne kann für sich dann spielen. Der Moderator ist instruiert. Natürlich kann man da immer noch ein bisschen eingreifen. Bevor eine Band, die bereits über ihrer Zeit ist, den nächste Song anspielt, kann man den Moderator nach vorn schicken und der fängt dann einfach an zu reden und sagt: „Danke, super, super und klasse“, und dann weiß die Band: „Oh ja. Ich glaube, das war’s jetzt.“ Gut, also die Bands wissen, wie lange sie spielen können. Sie können dementsprechend trainieren, üben, zum Beispiel mit einer Stopp-Uhr im Proberaum. Das sollten sie tun. Dann ist ihnen klar, wie viel Zeit sie haben.

GF: Ich kann mir vorstellen: das ist purer Stress. Oder machst Du das mittlerweile jetzt ganz routiniert?

SH: Das ist Stress. Ja. Aber ich freue mich jedes Jahr wieder auf’s Neue. Ich mache das sehr, sehr gerne. Ich war ja selbst jahrelang Musiker und habe auf großen und kleinen Bühnen gestanden. Ich stehe jetzt genauso gerne vor der Bühne wie auf der Bühne.



Ich denke, man sollte schon ganz genau wissen, was auf der Bühne abgeht, wie ein Musiker sich fühlt, ob er gerade unsicher ist. Was kann man machen? Monitor ein bisschen ändern, Augenkontakt halten und so weiter. Das macht mir Spaß, die Leute zu begleiten und sie zu ihrem Optimum zu bringen. Dadurch, dass die Technik stimmt, fühlt sich der Musiker gut und kann sich in seine Welt fallen lassen und sich optimal präsentieren. Das ist halt meine Aufgabe, und da habe ich ziemlich viel Spaß dran. Ja, es ist Stress. Es ist deswegen auch Stress, weil es so viele Bands sind. Mitunter habe ich dann Montags meine Stimme wieder. Durch die permanente Lautstärke musst Du halt auch energisch Anweisungen geben können, wenn die Stagecrew in kürzester Zeit die Instrumente umstellt. Oder auf einzelne Wünsche eingehen: der eine bringt sein Gitarren-Top mit. Das muss angeschlossen werden, und das Ganze in 2 Minuten. Die Mikrophone müssen wieder an Ort und Stelle gestellt werden. Ein Gitarrist möchte nicht über diesen Amp spielen, sondern über den anderen, und so weiter. Der Schlagzeuger muss auch ein bisschen gucken und sich einrichten. Da muss man darauf achten, dass man nicht Zeit verliert und dass alles sehr professionell und so ruhig wie möglich abgeht. Und dass die Bands gut vorbereitet sind, um dann so gut wie möglich spielen zu können. Das ist also meine Aufgabe.

GF: Nicht schlecht. Ich stelle mir das schwierig vor, allein schon aufgrund der Technik. Es sind ja immer mal ein paar Kabelbrüche dabei? Gibt es da doppelte Leitungen oder irgend etwas?

SH: Reservekabel. Klar. Man muss sich schon auf gewisse Szenarien vorbereiten. Dazu gehört sicherlich, alle möglichen Kabeltypen griffbereit in Ersatz zu haben. Oder wenn ich einfach mal ganz schnell von A nach B springen muss und das Kabel reicht nicht, da verlängere ich es einfach. Von daher habe ich immer ein paar Kabel an der Bühne liegen. In der Regel hält aber das Material. Und die Signale, die von der Bühne abgehen, sind ja auch vorher getestet. Trotzdem heißt es nicht, dass nicht doch etwas Unerwartetes passieren kann, z.B. ein Mikro fällt hin und funktioniert dann nicht mehr. Dann begibt man sich kurz auf Fehlersuche. In der Regel ist es das Kabel. Und dann schmeißt man es raus und macht ein neues dran und schon fertig. Oder bei einem Sendermikrofon, welches nach einem Sturz nicht mehr funktioniert. Hier können es dann die sich gelösten Batterien sein. Also bei der Show selbst passiert diesbezüglich zum Glück weniger. Es ist schon mal eine Sicherung geflogen. Da hat man dann drei, vier Minuten, muss auf Fehlersuche gehen. Das ist natürlich ungünstig aber kann leider auch passieren. Es passiert auch bei großen Konzerten. Bei Bruce Springfield ist letztes Jahr dreimal während des Konzerts in Düsseldorf der gesamte Technikstrom ausgefallen…

GF: Ich erinnere mich an ein Konzert in Moers. Da hatte eine Band Probleme mit ihrem Laptop und die haben 30 oder 40 Minuten daran rumgespielt und damit ihr ganzes Konzert versemmelt. Das war für die selbst sehr peinlich, hatte aber nichts mit der Bühnenmannschaft zu tun. Aber das Publikum in Moers war sehr tolerant, freundlich und zugewandt. Aber das ist es wahrscheinlich auch in der Rockmusik, oder?

SH: Ja, es sollte freundlich sein, aber die Kids sind halt auch ...

GF: Es kann schon mal abgehen, ne?

SH: Ja natürlich. Ob Pogo oder Wall of Death: wenn die Leute auseinandergehen und dann aufeinander zulaufen und sich anspringen - das ist eben Jugendkultur. Das ist eben so. Und solange da keiner mit dem Kopf unter dem Arm raus läuft, finde ich, sollte man das gewähren lassen. Mit dem erhobenen Zeigefinger rumlaufen gilt nicht. Es gibt die normalen Kids, in Anführungsstrichen, dann die Grufties, dann gibt es die Punks mit den Iros, dann die Metalfraktion und wen es noch alles gibt. Sie alle zusammen machen dann mitunter 5000 Leute aus und füllen die Halle. Dass da für jeden etwas dabei ist, glaube ich schon. Natürlich kann es auch sein, dass die nächste Band dann speziell nichts ist, und dann gibt es eben die Momente, wo Sachen auf die Bühne fliegen. Das gehört zum Live-Ding eben auch dazu. Schön ist aber natürlich auch, wenn man sich in Toleranz übt…

Das Interview mit Stefan Heynen führte Gerd Fierus im Januar 2009

Wuppertaler Schülerrock-Festival

1 Kommentar:

Norbert Molitor hat gesagt…

Frohes Fest für Euch!

 
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