Der Mensch ist ein Sklave seiner Routinen - zumeist öfter, als er es wahrhaben möchte. Das ist die Ausgangsthese.
Betrachten wir sie als Erkenntnis, die genutzt werden könnte, um unser Leben zu verändern.
Wenn wir unseren eigenen Alltag untersuchen und dabei versuchen die Muster zu entdecken, mit denen wir unser Leben strukturieren, werden wir feststellen, dass das Ganze recht übersichtlich ist. In unseren Routinen verhalten wir uns eher eintönig. Das sollte uns zu denken geben. Der Mensch hat ein großes Potential, ob er es nutzt, ist eine andere Frage. Bist Du noch hungrig, könnte man sich fragen und sich über seine Gefühle freuen. Das Gefühl der Unzufriedenheit baut eine Spannung auf, die für Veränderungen genutzt werden kann. Doch was sollten wir verändern? Warum nicht unsere eigenen Routinen? Wenn ich meine eigenen Routinen in den Blick nehme, werde ich erkennen, was ich verändern möchte, und damit kann ich mich weiter beschäftigen. Wenn ich meine Möglichkeiten erweitern möchte, kann ich die Bewegungsspuren und Handlungsmuster betrachten, mit denen ich mich bislang durchs Leben geangelt habe. Bin ich vielleicht wie der Esel, dem einer mit einem Stock eine Möhre vor die Nase hält?
Doch worüber würde ich mich denn freuen?
Zum Beispiel könnte ich versuchen meine Übungsroutinen zu verbessern. Das macht für mich Sinn. Es gab Zeiten, da zielte ich an, überhaupt mehr Zeit am Instrument zu verbringen, heute geht es mir eher darum wie ich meine Übungsroutinen qualitativ weiter voran bringe. Ich weiß, dass es sich lohnt, etwas Zeit in die Verbesserung der eigenen Technik zu investieren, da meine Spieltechnik noch Raum nach oben hat. Zum anderen könnte ich mir angewöhnen bei manchen Dingen länger dran zu bleiben um sie wirklich so zu vertiefen, dass sich dadurch etwas so setzt und verankert, dass ich darauf auch wirklich etwas aufbauen kann. Da ich Veränderungen liebe, neige ich manchmal dazu, zu schnell zu springen und mich mit Neuem zu beschäftigen, bevor sich die erarbeiteten Dinge richtig gesetzt haben. Ich weiß, dass es mir Freude bereitet, wenn ich 'mehrere Fliegen mit einem Schlag treffe', aber ich weiß inzwischen auch etwas besser, dass sich ein richtig langer Atem auch wirklich lohnen kann.
Es ist wichtig, Erfolgserlebnis zu genießen und die Neurowissenschaft sagt längst, dass es bei Erfolgserlebnissen auch auf die Quantität ankommt.
Ich weiß wie ich meine eigene Stimmung verbessern kann und ich habe Strategien erarbeitet, mit denen ich mich selbst motivieren kann und ich weiß ziemlich gut, womit ich mich selbst locken kann. Ich kann meine kleinen Erfolge sehen und erkennen und ich habe gelernt diese auch zuschätzen.
Meine erfolgreichen Aktivitäten bereichern meine Tage und mir ist die Bedeutung des Selbstwirksamkeitsgefühls gut bewußt. Ich weiß, wie ich mich ins Handeln bringe, um meinen Zielen näher zu kommen. Und ich weiß, wie ich mir inspirierende Erkenntnisse zuführen und mich aus lethargischen Zuständen lösen können. Als ich etwas jünger war, war es mir wichtig, der eigenen Angst nachzugehen und sich ihr immer wieder mal zu stellen, weil ich dadurch meine Begrenzungen erweitere und ich meine Freiheitsgrade erweitern wollte. Ich weiß, dass es Spaß macht, neugierig zu sein und die Welt und was auch immer zu erkunden. Jeder, der seine Freiheitsgrade erweitern möchte, hat bereits eine gute Perspektive. Ich finde es faszinierend und ich stimme Eichendorf zu, wenn er sagt, dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Es macht mir Spaß zu forschen und ich finde es toll, wenn jemand gute Expererimente entwickeln kann. Ich erinnere mich, dass es mich ein wenig traurig gemacht hat, als ich bei Marshal McLuhan herauslas, dass, nachdem nun bekannt sei, wie der Prozess des Erfinden funktioniere, das Erfinden nichts Besonderes mehr sei ... Nun ja - manches ähnelt den Erkenntnissen, die als Erkenntnis einen ganz eigenen Spannungsverlauf haben, quasi eine Hüllkurve der Erkenntnis mit Attack, Sustain and Release ... Wie dem auch sei, das Leben ist wie das Forschen und wie das Reisen, es bietet manchmal unverhofft so manche wertvolle Stunden.
In diesem Sinne ist das Leben wie die Musik und die Musik ist wie das Leben, es gibt das Einatmen und das Ausatmen, die Spannung und die Entspannung - und bereits diese an sich relativ einfachen Dinge haben bereits ein erhebliches Potential. Ein Mensch, der ist wie Aristoteless, der sammelt und ordnet, kann dieses ewig weitermachen ohne jemals zum Ende zu kommen. Doch für die Resignierten unter uns, für die depressiv Verstimmten und die Gebrochenen ist es oft sehr schwer, sich überhaupt erst mal in Bewegung zu setzen, überhaupt mal eine Entscheidung zu treffen und diese in Handlung umzusetzen. Das sind natürlich all die anderen und nie wir selbst. Nutzen wir ein kleines 'Brainstorming' um uns die ersten Schritte zu erleichtern, lassen die eigenen Gedanken einmal frei schweifen und stellen den eigenen inneren Zensor in die Ecke, wo er bleiben kann. Wer weiß schon, was auftaucht, wenn wir unser Phantasie ins Spiel bringen und wenn wir uns an unsere Wünsche und Ideen erinnern, die wir hatten, bevor wir Helmut Schmidt zustimmten, als dieser sagte, wer Visonen habe, solle zum Arzt gehen.
Ich erinnere mich gerne an so manche die Schönheit des Lebens und ich bin überzeugt, dass wir alle mehr Möglichkeiten haben, als wir im Stimmungstief realisieren. Denn jeder einzelne von uns hat ein unglaubliches Potential und jeder kann sein eigene Leben gestalten. Wir sind weit weniger abhängig, als wir glauben. Wer ein Drama schreiben möchte, kann das komponieren, doch ob wir unser eigenes Leben nur noch dramatisieren möchten, entscheidet letztlich jeder einzelne für sich selbst. Wir können immer wieder vor die Wand laufen, wir können aber auch Wände niederreißen, wie in The Wall von Pink Floyd. Wenn wir uns daran erinnern, worauf es ankommt und wir unser Leben wieder in die eigene Hand nehmen, können wir es nach unseren Wünschen und Vorstellungen gestalten. Wer sollte uns davon abhalten, wenn nicht wir selbst? 'Lust for Life' sang Iggy Pop - warum auch nicht? Wenn wir uns von unseren Ängsten führen lassen und den eigenen Diktator spielen, der sich selbst in Schach hält, aus der bloßen Angst heraus, was wohl aus einem wird, wenn die Erkenntnis unserer selbst die Macht der eigenen Denkroutinen kollaboriert. Wer sein Leben auf Angst aufbaut, sein Leben aus Angst nicht lebt, ist wie einer, der sich selbst einmauert. Nur weil man dem Leben nicht traut, ist es noch lange kein Gefängnis, es sei denn wir machen es draus. Angst und Dummheit haben einen hohen Stellenwert für das Leid, dass jemand hat und die Tendenz zur Vermeidung eigener Entscheidungen ist es doch letztlich, die zu solchen Zuständen führt, die der Soziologe Simmel seinerzeit als anomische Zustände beschrieb.
2022/11/20
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