2013/09/20

Kunst versus Politik

Eine kleine philosophische Runde beschäftigte sich die Tage mit dem Thema Kunst versus Politik.

Was ist Kunst? 

Das Einfache ist oft das Schwierige. Und so wundert es nicht, dass diese einfache Frage kontrovers erörtert wurde. Was verstehen wir denn unter Kunst? Schon strömte der Gedankenfluss und die Atmosphäre am Tisch veränderte sich. Es wurde sinniert und zitiert: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Karl Valentin wurde revitalisiert. Spannend für die kleine Runde waren natürlich die  persönlichen Vorstellungen und Zugänge zur Kunst.
Die abendlichen Erörterungen werden hier nur fragmentarisch wiedergegeben. Sachlich wurden künstlerische Sparten aufgezählt. Ein persönliches Statement folgte. Das reizte sofort zur Kritik.

A: Kunst ist Tanz, Malerei, Theater, ... alles das, was uns Freude macht.

B: Für mich ist Kunst eher ein Geburtsprozess. Durch Kunst kommt Neues in die Welt. ... mit ästhetischen Mitteln ... und dadurch etwas anschiebt. Kunst drückt sich aus in sinnlich-ästhetischen Erscheinungsformen. Es macht Freude, aber nicht unmittelbar.

A: Der Prozess kann mühsam sein, aber es macht Freude!

B: Doch manche Künstler sagen: Ich kann nicht anders. Es will einfach aus mir heraus ... Der Begriff der Freude. An dem habe ich mich gestoßen ... Es hat nicht so sehr mit Gefallen zu tun, sondern mit einem bestimmten Ausdruck und einer Kreativität, die umgesetzt wird.

C: Ist das Kunst oder kann das weg? Der Spruch klebt doch an Deinem Kühlschrank. ...

D: Kunst ist der Kern der Seele des Künstlers.

B: Was aufnehmen von der Welt und wieder zurückgeben ...

E: Benjamin! Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Da setzte in der Kunst ein Reflexionsprozess ein. Wenn ich ein Foto mache und es die Natur wieder gibt. Wie erfasse ich den Raum? Die Impressionisten sagten: Wir sehen ganz genau hin und nehmen nur noch Farben auf. Raumempfinden und Formempfinden wurden vollkommen zur Disposition gestellt.

Kunst versus Politik  

Da gab es natürlich einiges zu sagen. Aber auch an ein Interview mit Karl Lauterbach im Spiegel wurde angeknüpft: Ein Politiker hat heutzutage überhaupt keine Chance Gesetz zu gestalten. Ohne ein bestimmtes Netzwerk hinter sich zu haben, das seine Sprache spricht, hat ein Politiker heute überhaupt keine Gestaltungsfreiheit mehr.

Kunst ist politisch. Diese These wurde prägnant von einem Diskutanten herausgearbeitet, um sie dann auch zu verteidigen. Nach Aristoteles ist Politik ein Handeln, das nicht auf Selbsterhalt zielt, sondern auf die Gestaltung des Sozialwesens ausgerichtet ist. Nicht Eigennutz, sondern Gemeinwohl, es geht darum, dass das Allgemeinwohl organisiert wird. Das setzt Freiheit voraus. Nicht eingesponnen sein. Politik wurde damals noch verstanden als Ausdruck des Menschseins. Das war übrigens auch das Verständnis von Beuys: Wenn er Mensch sein will, ist er Künstler.
Dieses extreme Spannungsverhältnis zwischen den Einzelnen und wirklich frei handelnden Staatsmännern. Der Zustand der heutigen Politik erschien den Teilnehmern der philsophischen Runde dagegen beklagenswert, was in der Frage kumulierte: Ist Politik überhaupt noch Politik?

Kann ein Künstler sich freier bewegen als ein Politiker?  

A: Die Medien können den Künstler groß schreiben, aber auch wieder runter schreiben. Das kann derzeit wohl bei Jonathan Meese gesehen werden. Zudem kommt es auch darauf an, ob man ein A-Künstler, B-Künstler, C- Künstler oder D-Künstler ist.

Richter konnte es sich erlauben, jedes Jahr sein Thema zu wechseln. Ihm wurde am Anfang seiner Karriere von Galeristen davon abgeraten. Das kann sich jedoch nicht jeder Künstler erlauben.

Die endgültige Klärung, was unter A-B-C- oder D-Künstler zu verstehen ist, litt unter dem Tumult andrängender Redebeiträge, so dass wir das hier nicht mehr weiter vertiefen können.

Der Unterschied zwischen Kunst und Kitsch wurde angesprochen, auch die ökonomische Besetzung des künstlerischen Sektors ... Bewegen sich Künstler heute freier als Politiker? Wenn Kunst als Aktie an der Börse des Kunstmarktes verstanden wird, erscheint diese Frage alles andere als rhetorisch.

... und zurück zur Kunst

Kunst kann persönlicher Ausdruck sein. Dies gilt beispielsweise für Tagebücher berühmter Persönlichkeiten, die veröffentlicht werden. Das Werk als solches gilt nicht nur für den Einzelnen. Nur dann ist es Kunst, wenn es auch als Kunst erkannt wird. Nach Kant ist schön, was ohne Begriff ganz allgemein und notwendig gefällt.

Der These, das Kunst unbedingt politisch sein muss beziehungsweise für die Öffentlichkeit gemacht werde, wurde Verschiedenes entgegengesetzt:  Politik ist Kunst. Das war ein Statement. Jemand verwies auf alte Höhlenzeichnungen. Um diese anzufertigen musste - womöglich mit Fackeln, die ausgehen konnten bzw. möglicherweise nicht ausreichend weit reichten - ein extrem langer Tunnel passiert werden. An dessen Ende mussten sich die Zeichner unter einen Felsvorsprung winden. Kaum genug Platz um zu zeichnen. Oder um später diese Zeichnungen überhaupt zu betrachten. Versteckt und kaum einsichtbar wurden sie verborgen. Diese Menschen haben sich Grenzerfahrungen ausgesetzt.  Ihre Höhlenzeichnungen entstanden unter extremen Schwierigkeiten. Sie waren auch nicht für Zuschauer angelegt. Entbehren und an die Grenzen gehen. Dabei ist so etwas Zeitloses entstanden.

Es wurde darauf verzichtet Kunst zu definieren, doch Unterschiede zwischen Kunst und Politik wurden aufgezeigt. Gemeinsamkeiten wurden entdeckt. Die Diskussion eröffnete spannende Fragen.



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