2008/11/09

Ein Gespräch über die Musik
Interview mit Biber Herrmann













Gestern im Flux kam es zu einem Gespräch über die Musik. Der Singer und Songwriter Biber Herrmann beantwortete Fragen zu seiner Musik.

Interviewgespräch

GF: Was fasziniert Dich an der Musik oder wo hängt Dein Herz dran?












BH: Das ist natürlich eine komplizierte Frage. Was fasziniert mich an der Musik? Kann ich Dir nicht wirklich sagen. Musik ist für mich so was natürliches, einfach weil ich in einer musikalischen Familie geboren geworden bin. Mein Großvater hat sieben Instrumente gespielt, meine Mutter Geige und Klavier, mein Vater hat Bass gespielt und insofern war das für mich etwas ganz Normales.

GF: ...klassischer Background?

BH: Von meiner Mutter her ja, während mein Vater eher Tanzmusik gemacht hat. Aber beide Eltern haben gespielt und auch die Großeltern. Die Geschwister meiner Eltern haben alle gespielt. Und insofern gab es weniger einen Punkt, wo mich Musik jetzt fasziniert hat, als dass es eher so war, dass ich von Musik umgeben war. Ich bin einfach so rein gewachsen.

GF: Das heißt, Du hast schon mit sechs, sieben oder acht ...?



BH: Ich habe mit sechs Klavier gelernt, und so weiter. Es gab keinen Punkt, wo ich gesagt hätte, oh jetzt fasziniert mich die Musik, und deshalb mache ich was, plane ich was, sondern es war ganz normal das zu tun.

GF: Was waren so die ersten, wie sagt man, Schauer, die man kriegte? Wenn man welche Leute gehört hat? Oder gibt es da irgendwelche Leute, von denen Du gesagt hast, die sind besonders klasse?

BH: Na ja ich habe in den 60ern, als Kind eigentlich schon, Beatles und Stones gehört, wegen meiner Eltern. Und die Stones haben mir schon immer gefallen, weil es gerockt hat. Und ich habe dann auch später viel Stones gehört. Aber wo Du sagst, ein Schauer: Das hat vom Lebensalter her gewechselt. Also anfangs waren das die Stones, mittlerweile sind es eher die Singer, Songwriter, die das bei mir machen.












Wenn es mir einen Schauer über den Rücken jagt, dann immer, wenn es - eigentlich leise wird, also wenn die Musik ausatmet, weniger wenn das jetzt Krach ist und da ist Action oder so, sondern dann wenn es ausatmet und sich so eine Stille ausbreitet in der Musik. Das sind eigentlich so die faszinierenden Momente.

GF: Fliegst Du eigentlich auch mal über den Teich, nach Amerika oder so?

BH: Nein. Gar nicht. Also ich habe viel mit Amerikanern auch gespielt, hier. Weil im Rhein-Main-Gebiet waren ja auch einfach viele Amerikaner, so in den 70er Jahren, aber über den Teich war ich noch gar nicht.

GF: Blues und so weiter ... Gibt es noch etwas anderes oder ...?

BH: Blues finde ich eigentlich zu kurz gegriffen. Ich mache unter anderem auch Blues. Aber vor allen Dingen und in erster Linie bin ich ja auch Singer, Songwriter, mache auch Balladen und andere Sachen. Ich will mich gar nicht als Blueser definieren - lassen. Sondern Blues ist ein Teil von meinem musikalischen (.).

GF: Das heißt, Du hast keine Grenzen, du willst dich gar nicht in so ein Genre packen lassen, sondern lässt Dir alles offen und machst, was Dir gefällt.

BH: Also Singer Songwriter sehe ich als erste Kategorie, und dann würde ich sagen, es ist Folk und Blues. Aber ich variiere das, je nachdem was zum Text oder zur Saison passt.

GF: Ich hatte hier gerade mit dem Blues, dieses ... Mit der Dobro, vermute ich mal, da spielt man wirklich nur Blues?













BH: Ja, ja ja.

GF: 1920 haben die die, glaube ich, gebaut.

BH: Die Dopyera Brothers, tschechische Auswanderer, dann in den Vereinigten Staaten, deswegen auch der Name Dobro.

GF: Dobro heißt ’gut’, habe ich gestern in der Wikepedia nachgelesen.












BH: Das heißt ’gut’, genau, auf Tschechisch, auf jugoslawisch heißt das glaube ich auch ‚gut’. Ja die Gitarre wurde ja entwickelt, wie man versucht hat, eine normale akustische Gitarre noch lauter zu kriegen. Das war ja in der Zeit bevor es elektrische Verstärker gab. Man hat dann mit verschiedenen Materialien experimentiert, also einmal Metall als Werkstoff. Und dann, wenn Du die aufschrauben würdest, siehst Du ja einen umgekehrten Lautsprecher da drin. Das ist der so genannte Resonator. Der macht das halt sehr laut, im Gegensatz zu einer normalen Gitarre.

GF: Wie ein Mikro wird der eingesetzt, oder? Oder ist der passiv?

BH: Ja, nein, gut das ist jetzt verstärkt, aber wenn Du die Kabel rausziehen würdest ist die Dobro immer noch sehr viel lauter als eine normale Gitarre.

GF: Ich habe da noch eine Frage: Der Lautsprecher ist nicht elektrisch verbunden?

BH: Nein, der ist nicht elektrisch verbunden. Der sitzt auf einen Holzrahmen und der schwingt. Und dadurch ist die Gitarre vom natürlichen Klang her sehr, sehr laut.

GF: Und für Deine Musik? Du hast ja verschiedene Gitarren. Wann nimmst Du die Dobro? Wenn Du was ausdrücken, wenn Du was machen möchtest?

BH: Schon vornehmlich im Blues. Also wenn ich Blues spiele innerhalb von meinem Programm und wenn ich mit dem Slide-Röhrchen spiele, also mit dem Bottleneck, was ich mir mir über den Finger stülpe.

GF: Die klingt ja auch metallisch und laut. Was für einen Ausdruck kriegt man da rein, oder wenn ich speziell sag’, wenn ich das und das ausdrücken will, keine Ahnung, Gefühl, Wut, oder was wie soll man sagen ...












BH: Ja, ja, die Dobro, die klingt ja immer ein bisschen dreckig. Wenn man so diesen 'Dirty Blues' spielen will, wenn es so ein bisschen dreckig klingen soll, dann ist die Dobro auf jeden Fall eine gute Wahl.

GF: Wie viel Gitarrentypen hast Du? Du hast wahrscheinlich eine ganze Reihe von Gitarren?

BH: Ich habe heute nur das Kleine dabei, manchmal habe ich fünf Gitarren auf der Bühne. Also dann habe ich noch eine so genannte Whiteburn, das ist eine Gitarre, die Du auf den Schoß legst und damit spielst. Wie eine Hawaii-Gitarre. Ja genau, wie eine Hawaii-Gitarre. Die habe ich manchmal noch dabei. Und das variiert so ein bisschen nach Stimmung und Laune. Ob ich mit wenigen Gitarren oder mit mehreren Gitarren arbeiten will, das ist so ein bisschen Stimmungssache.

GF: Und die knappste Besetzung, wenn Du nur eine mitnehmen würdest? Also zwei, drei nimmst Du schon mit?

BH: Ja, ja. Die knappste, würde ich die Gibson mitnehmen. Wenn ich auf eine einsame Insel fahren müsste, würde ich die Gibson mitnehmen.

GF: Die Themen, die Du hast, ich bin ein schlechter Englischsprecher, ich hab jetzt nicht so richtig reingeguckt. Wenn Du Songs selber machst, ne. Hast Du da Schwerpunktthemen? Oder ist da irgendetwas, wo Du dran arbeitest?

BH: Ja, ja, ich sag mal: Die Texte gehen eher so ein bisschen in die Tiefe, haben manchmal auch einen spirituellen Touch, oder so ... Also eher geht es ein bisschen in die philosophische Richtung. Also es ist weniger so dieses: 'I woke up in the morning, and I was feeling so bad', wie im Blues oder so.

GF: Es gibt ja so - ich habe ja mal Interviews sehr gerne gelesen, mit Musikern, und es gibt manche, die haben so einen religiösen Touch, und sagen, ja gut, eigentlich ist es ein Geschenk, die Musik. Und die spiele ich halt, da bin ich gar nicht selber beteiligt, wenn das so fließt, dieser Flow-Effekt.

BH: Ja, das stimmt. Also das ist bei mir auch so. Dieser Punkt kommt, wenn Du Dich dann wirklich gehen lässt. Du musst natürlich erst das Instrument auch beherrschen. Das ist nicht sofort da. Du musst ja erst mal Akkorde lernen, die Saiten treffen und all das. Aber je mehr Du das übst, umso leichter wird das, je mehr verselbständigt sich das. Und dann ist natürlich irgendwann der Punkt da, wo Du über Technik nicht mehr nachdenkst. Dann fängst Du einfach an zu spielen und das fließt. Dann improvisierst Du auch. Du hältst Dich nicht mehr so an die vorgegebenen Schemen, sondern Du modulierst, improvisierst und erweiterst das. Und das ist der Flow, dann. Das finde ich ganz wichtig.

GF: In welcher Situation schaffst Du das am längsten, den zu halten? Bei Konzerten, alleine? Stört Dich das manchmal, das Publikum? Weißt Du, was ich meine? Wenn Du anfängst, bist Du ja schüchtern. Dann gelingt es vor Publikum ja vielleicht überhaupt nicht.

BH: Ja. Das kommt ganz auf die Situation selbst an. Manchmal ist es sofort da, am Anfang von dem Konzert, manchmal muss man so ein bisschen reinkommen.

GF: Manchmal gibt es auch einen Kick vom Publikum?

BH: Ja natürlich, natürlich. Aber es ist zuhause genau das gleiche. Du kommst mal schneller rein und mal weniger. Du kannst diesen Flow, wie Du das genannt hast, den kannst Du nicht bewusst herstellen. Der muss passieren. Also Du musst dieses Vertrauen haben, Dich einfach gehen zu lassen auf Deinem Instrument und mit Deiner Stimme. Und dann kommt das. Wenn Du es zu sehr kontrollieren willst, so ist das nicht mehr ..., kommt es nicht mehr.

GF: Wie gehst Du ran? Bist Du eher so ein, wie sagt man, Kompositorischer, jemand, der plant, oder eher ein Improvisatorischer? Der Blues ist eigentlich eher improvisatorisch, d. h also, das Muster ist klar ...? Ja. ... und das ist wie ein Reflex, und dann kommt die eigentliche Musik kommt sozusagen noch dazu?












BH: Ja, ja, Blues eignet sich natürlich mehr zum Improvisieren als irgendwelche Balladen, die ja meistens schon einen einigermaßen festgesteckten Rahmen haben. Also wenn ich improvisiere, dann eher im Blues, weniger in den Balladen. Wohl, mh, es kommt darauf an. In Nuancen improvisiere ich eigentlich immer. Wenn Du zwei Mal den gleichen Titel von mir aufnehmen würdest, hintereinander, würdest Du trotzdem irgendeinen einen Unterschied feststellen. In der Dynamik oder in den Pausen, die ich mache oder so. Also es wäre nie eins zu eins, und das finde ich auch wichtig.


GF: Es ist gewollt. Es gibt ja, ich sag mal, wenn Du jetzt Musikschultypen hast, so die Klassiker,
Musik ist ja nur das, was Du wiederholen kannst. Und dann gibt es ja die andere Seite, die sagen, so ich lebe mich aus, über das Feeling ...


BH: Ich glaube, dass das ein sehr guter Klassiker auch kann. Also der fließt auch, wenn der nicht improvisiert, sondern feste Strukturen spielt. Ich glaube, die Art und Weise, wie Du feste oder vorgegebene Strukturen spielen kannst, die unterscheidet sich auch. Also wenn Du es schaffst, aus dem Bauch raus, aus Dir herauszukommen, und es einfach fließen zulassen, dann geht es auch mit einem vorgegebenen Muster. Da bin ich sicher.

GF: Ja, jetzt bin ich selber raus gekommen, aus dem Flow raus, bei dem Interview. Gibt es interessante Ziele, die Du hast, in der nächsten Zeit, vielleicht musikalisch?

BH: Ne. Ne. Ne. Gibt es nicht. Einfach weil - das entwickelt sich. Ich mein', ich habe natürlich immer das Ziel, besser zu werden, sich zu entwickeln, mehr zu schreiben. Das ist klar. Aber das kann man fast nicht als Ziel beschreiben. Weil ich finde es normal, dieses, in Anführungszeichen, dieses Ziel zu haben, also einfach eine Entwicklung, dass eine Entwicklung stattfindet. Ich sage nicht, das ist jetzt das Ziel, sondern, dass kommt eigentlich automatisch, diese Entwicklung. Wenn Du so fragst, wenn Du guckst, was willst Du so schreiben, dann kommt das von selbst, diese Entwicklung.

GF: Es gibt Leute, also Musik ist ja ein wahnsinnig weiter Bereich. Es gibt ja viele Leute, die haben ein zweites Standbein, indem Sie unterrichten, indem sie ihr wissen an Schüler weitergeben. Machst Du das auch so?

BH: Nein. Ich habe das früher mal gehabt, vor 10 Jahren vielleicht oder so. Aber ich habe jetzt nicht mehr die Zeit dazu, weil ich schon 100, 120 Auftritte im Jahr mache und das ist ja auch viel On-The-Road-Sein und … Ja, da bist Du 150 Tage unterwegs.












Biber Hermann: 11 November 2008 im Flux

Interview und Fotos: Gerd Fierus
Flux, 8. November 2008

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

jo, sehr stimmig zu dem was wir hören durften. danke, gerd. dieses interview ist wirlich eine schöne ergänzung zu der musik von biber, demnächst auch fotos auf jazzfoto.net ;-)

 
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