2008/08/01

Mit Rolling Stone zur gestärkten Demokratie

Manchmal wissen Musiker einfach etwas mehr. Geddy Lee, Frontmann der kanadischen Rockgruppe Rush, sagt:

"Der schnellste Weg zur Gesundung ist immer, der zu sein, der man ist, und das zu tun, was man zu tun liebt." (Rush im Rolling Stone-Interview, August 2008, S.51)

Es sind oft sehr einfache Zusammenhänge, die das Leben erleichtern könnten, wenn sie nur begriffen würden. Die Zeitschrift Rolling Stone bringt in ihrer aktuellen Ausgabe diese bemerkenswerte Erkenntnis und als Titelgeschichte ein lehrreiches Interview mit Barack Obama:

Wenn Sie Präsident werden - was an Ihrem politischen Ansatz wird das traditionelle Establishment von Washington wohl am meisten nervös machen?

"Man kann das Verhältnis zwischen Lobbyisten und Legislative vielleicht nicht eliminieren, aber man kann es einschränken. Und dass ich dieses vorhabe, wird manchen nervös machen. Der Lobbyismus hat ja durchaus eine Funktion; er repräsentiert Interessen, und das gehört zu unserer Demokratie. Aber das während der republikanischen Mehrheit im Kongress Ölkonzerne buchstäblich Energiegesetze bestimmen konnten oder Pharmafirmen die Gesundheitspolitik, völlig ohne Rücksicht auf das öffentliche Interesse - das muss sich ändern." (Barack Obama im Rolling Stone-Interview, Rolling Stone, August 2008, S.44)

Barack Obama rüttelt am Filz, auf seinem Programm steht die Demokratisierung. Wer über soviel Schwung verfügt, kann nebenher vielleicht auch den Prozess der Demokratisierung in Deutschland etwas anschieben.

Doch was könnte zu solch einer Metaphose beitragen, die den Politiker zum Staatsmann werden läßt?

Die Antwort ist einfach, unsere Verfassung bietet die stellt die Voraussetzungen, doch das Handeln fällt schwer.

Deutschland benötigte oft Jahre, um konstruktiven Impulsen aus Amerika zu folgen. Jerry Rubins Aufforderung 'Do It!' aus den 60er Jahren wird hier womöglich doch noch aufgegriffen - nach den Aktivitäten von Barack Obama:

"Ich will, dass die Menschen sich wieder mit ihrer Regierung verbunden fühlen, und ich will, dass diese Regierung auf das, was die Menschen sagen, wieder reagiert, nicht nur auf Insider und Einzelinteressen." (Rolling Stone, August 2008, 43)

Doch warum hören wir in Deutschland so schlecht auf verständliche und doch so klare Worte?
Und warum leiden wir unter dieser so ausgeprägten politischen Handlungsschwäche?

Liegt es an einer mangelnden Loyalität?

Diese These scheint fern, daher muss sie erst verstanden werden. Hierzu sei zweierlei gesagt:

1. Ein Staatsmann ist dem Staat loyal, und nur dem Staat!
2. Nur wer sich auf eine Aufgabe konzentrieren kann, wird die Befriedigung erleben, Dinge zu erledigen.

Es kommt darauf an, sich der gestellten Aufgabe auch mit ganzem Herzen zu widmen. Dabei scheitern die Unkonzentrierten, dabei scheitern aber auch die Diener zweier Herren. Die Erledigung staatlicher Aufgaben verlangt die volle Konzentration und den vollen Einsatz.

Wer sich verzettelt, kann nicht mehr Handeln und in seiner Handlungsfähigkeit sehr stark beschnitten wird auch gerade der, der zwei verschiedenen Herren dient.

Daher benötigt eine handlungsfähige Legislative so sehr die Distanz gegenüber interessengebundenen Lobbyisten. Die Handlungsfähigkeit in der Legislative wird sich erweitern, wenn sich ihre Beeinträchtigungen durch pseudointerne Interessenkollisionen verringert. Und je mehr sich die Legislative am staatlichen Auftrag ausrichtet und je mehr der Einfluß von Einzelinteressen und der von einzelnen Gruppen auf die Gesetzgebung reduziert werden kann, desto effektiver, effizienter und auch handlungsfähiger können die demokratische Aufträge verwirklicht werden.

Zur Steigerung ihrer Handlungsfähigkeit sollten gerade die in der Legislative tätigen Politiker ihre zusätzlichen Mandate abgeben, denn wer beauftragt wurde, die Interessen der Allgemeinheit wahrzunehmen, sollte diesen Auftrag als amtlicher Stellvertreter auch mit konzentrierten Kräften wahrnehmen. In einer Demokratie sind es tatsächlich die Interressen der Allgemeinheit, die zur Geltung gebracht werden sollen und gerade nicht die partikularen Interressen von Minderheiten.
Ganz konkret heißt das aber, entweder es wird im staatlichen Auftrag gearbeitet oder für eine Minderheit, wie etwa mit der Arbeit im Aufsichtsrat für einen privatwirtschaftliche Interessen verfolgenden Konzern. Eine Demokratie benötigt handlungsfähige Politiker, und das sind keine Diener zweier Herren!

Obschon dies so einfach zu verstehen ist, wird diese Erkenntnis nicht umgesetzt, auch wenn Journalisten einen politischen Skandal nach der anderen Korruption aufdecken. Wie wäre sonst die unkonzentrierte Arbeit, die Illoyaltät in der Politik zu erklären, als nicht durch das Arbeiten für mehrere Herren?
Die deutsche Handlungsschwäche ist immer da, und sie kennzeichnet auch die Arbeit derjenigen, die dafür bezahlt werden, wirksam die Verfassung zu schützen.

Wer stellvertretend für die Bürger mit der Aufgabe Gesetzgebung vertraut wurde, sollte dieses und nur dieses tun. Denn eine Nebentätigkeit als Lobbyist durch Vorstandstätigkeit, Beraterverträge, etc. ist mehr als problematisch, wenn die Interessen der Allgemeinheit zu vertreten sind. Die Vorstandsarbeit in privatwirtschaftlich orientierten Konzernen ist nach dieser Argumentation unvereinbar mit der Arbeit von Bundestagsabgeordneten. Ähnlich wie die Gewaltenteilung von Judikative, Exekutive und Legislative ist gerade in der Legislative auch die klare Trennung zur Lobbyarbeit dringend angezeigt.

Zusammenfassung:

Staatsmänner und Staatsfrauen in der Demokratie sollten ihre Energie konzentriert und gebündelt der Wahrnehmung ihrer staatlichen Aufgaben widmen. Volksvertreter sind in der Demokratie nicht nur in erster, sondern auch in einziger Linie dem demokratischen Staat: der Allgemeinheit verpflichtet. Ein echter Staatsmann zeichnet sich aus durch Abstand zu Lobbyisten und eigenen privaten Interessen.

Indem demokratische Politiker sich auf ihre demokratisch-staatlichen Aufgaben konzentrieren, erhöht sich neben ihre Handlungsfähigkeit auch die Chance, sich zum Staatsmann beziehungsweise zur Staatsfrau zu entwickeln.

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