2008/02/12

Musik oder Medizin?

Der 16-jährige Miles Davis wollte praktischer Arzt werden und war bei einer Krankenvisite zugegen. Anschließend sprach er mit seinem Vater (Zahnarzt) über dieses spezielle Erlebnis. Der Vater:

"Wenn du bei manchen Ärzten mit einem gebrochenen Arm ankommst, schneiden sie ihn dir lieber ab, anstatt ihn zu richten. Das würde ihnen zu viel Mühe machen, also schneiden sie ihn ab. Der Doktor von William ist einer von dieser Sorte, Miles. Davon laufen genug rum. Solche Leute, Miles, haben sich ihren Beruf nur wegen des Prestiges und des Geldes ausgesucht. Sie gehen nicht darin auf wie ich oder ein paar meiner Freunde. Wenn man wirklich krank ist, sollte man nicht zu solchen Leuten gehen. Die Einzigen, die das tun, sind arme Schwarze. Aber solche Ärzte wie der kümmern sich einen Dreck um sie. Deshalb hat er sich so kalt gegenüber William und seiner Familie verhalten. Die Leute interessieren ihn überhaupt nicht, verstehst du?"

Miles Davis:

"Ich nickte. Aber eins kann ich dir sagen, Mann, das Ganze hat mich vollkommen durcheinander gebracht. Später fand ich raus, dass dieser Arzt ein riesiges Haus hatte, dass er reich war, sogar ein eigenes Flugzeug besaß. Den ganzen Scheiß hat er sich auf Kosten von Leuten zugelegt - armen Schwarzen -, die ihm scheißegal waren. Das machte mich fast krank. Damals beschloß ich Arzt zu werden. Ich wollte versuchen, das Leben von solchen Leuten wie William zu retten.
Aber du weißt ja, wie das Leben so spielt. Du möchtest dies und jenes werden. Und dann taucht plötzlich was Neues auf und schiebt das Alte beiseite, besonders wenn man jung ist. Die Musik trieb mir die Medizin einfach aus dem Kopf."

Quelle: Miles Davis und Quincy Troupe (2000) Miles Davis. Die Autobiographie. 4. Aufl. München: Heyne, S.51.

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