2007/09/01

Improvisation und Musiktherapie

Der Musiktherapeut Eckhard Weymann hat eine besonders lesenswerte Dissertation zur musikalischen Improvisation veröffentlicht.

24 morphologische Tiefeninterviews wurden mit MusiktherapeutInnen und MusikerInnen geführt, um "etwas über die Natur des Improvisierens zu erfahren und zu erkunden, was bei dieser Tätigkeit 'mitspielt' und was man, auch auf längere Sicht, davon hat, mit Musikinstrumenten und der Stimme im gewählten Rahmen frei zu improvisieren." (Weymann, 2002, 13).

Im Vordergrund der Untersuchung standen weder Krankheit noch Störung, sondern mit einem alltagspsychologischen Ansatz sollte 'die musikalische Wirkungseinheit der musikalischen Improvisation' untersucht werden. Dieses erstaunliche Werk ist nicht nur für Experten aus der Musiktherapie, Musikpädagogik und ressourcenorientierter Musiksozialarbeit interessant, sondern für diejenigen, die sich für Literatur zur musikalischen Improvisation interessieren. Das Buch bietet sehr viel Inspiration, vom erfahrenen Musiktherapeuten kann über musikalische Improvisation einiges gelernt werden.

"Das Spiel des Therapeuten ist in der therapeutischen Improvisation in Teilen oder Momenten ebenso ein 'freies' Spiel wie das des Patienten, andererseits ist es aber auf das Patientenspiel ausgerichtet. Der Therapeut verwendet eine oszillierende Wahrnehmungs-Einstellung, die es ihm erlaubt seine Spielfähigkeit gleichsam in den Dienst des Patienten zu stellen und zugleich die künstlerisch-kreativen Impulse aufzugreifen, die in der Situation lebendig werden. ...
Damit wird das Improvisieren neben dem Gespräch (ggf. anstelle des Gesprächs) und der Beobachtung von Gestik, Mimik, Atmosphäre des Zusammenseins etc. zu einem zentralen Untersuchungs- und Entwicklungsfeld für die Therapie." (Weymann, 2002, 56)

Im Gegensatz zu vielen wissenschaftlichen Arbeiten liest sich Studie von Eckhard Weymann durchgängig spannend, eine Auswirkung der beheimateten künstlerischen Diszipin?

Musiktherapie spannt sich als praktische Arbeit immer wieder auch zwischen künstlerischen und wissenschaftlichen Ansprüchen. Nicht nur zum Glück der Leser, sondern auch impulsgebend für innovative Musik-Forschung war Weymann's Entscheidung für die qualitative Sozialforschung. Ein der Kunst verpflichteter Wissenschaftler und Musiktherapeut profiliert sich hier in dreierlei Hinsicht:

- inhaltlich Reizvolles
- wird wissenschaftlich innovativ und
- stilistisch leserfreundlich vorgelegt.

So etwas lässt sich nur sehr selten finden!

Quelle:
Weymann, Eckard (2002) Zwischentöne. Psychologische Untersuchungen zur musikalischen Improvisation. Dissertation Hamburg: Hochschule für Musik und Theater, Institut für Musiktherapie.

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