2007/05/29

Das Unerhörte hören











Die Wirkung von Musik ist einmalig, jedoch immer auch abhängig von Hörer und Kontext. Wolf Kampmann zitiert den mit Überraschungen rechnenden Berliner Gitarristen Olaf Rupp: "Ich will jede Emotion aus meinem Spiel ausschalten. Natürlich weiß ich, dass das nicht möglich ist. Deshalb höre ich meine Sachen auch lieber, als dass ich sie spiele. Ich bin dann immer überrascht, wie viel ich darin finde, von dem ich meinte, es gar nicht hineingetan zu haben." (Festivalmagazin Moers 2007, 22)

Da Musikrezeption immer auch aktive Prozesse beinhaltet, können Assoziationen angeregt und Konstruktionen initiiert werden. Das Statement einer Ohrenzeugin mag die hohe Komplexität dieser Prozesse verdeutlichen:
"Wir hatten uns überlegt, bei welcher Hausarbeit diese Musik erfolgreich eingesetzt werden könnte. Wir haben uns für das Ausmisten eines Körbchens mit undefinierbarem Inhalt entschieden."

Nach Wolf Kampmann entwickelte bereits Anthony Braxton als Musiktheoretiker und Philosoph ein hoch kompliziertes und anspruchsvolles System, das aber kein logisch strukturiertes Regelwerk darstellt, sondern eher einen nach allen Seiten offenen Raum beschreibt und sich ständig verändert und erneuert. Wolf Kampmann arbeitet in seinem Beitrag über Anthony Braxton mit Zitaten, die verdeutlichen können, dass Antony Braxton Musik nicht unabhängig von den Menschen und ihrer Kreativität versteht:

"Wenn man von Kreativität spricht, dann spricht man über Menschen. Man muss dahin kommen, dass man die Kreativität eines Menschen anerkennt, ohne gleich Werturteile darüber zu fällen. ... Erstes und letztes Rezeptionskriterium muss sein, die Kreativität einer Person zu akzeptieren."
(Anthony Braxton im Interview mit Guido Gazzoli, zitiert nach Wolf Kampmann a.a.O., 43)

Dort, bei Anthony Braxton, geht es um 'neue' Musik, die sich sinnvoll auf eine neue Realität zu beziehen hat und die Bedeutung des kommunikativen Aspektes kann kaum übersehen werden.

'Neue' Musik ist dabei mehr als verzerrte geronnene Zeit, die fixiert werden könnte; sie ist aber auch mehr als frei von jeglicher Ordnung und Regel.

Warum sind Sie heute zum Moers Festival gekommen? Diese Frage stellte ich verschiedenen Besuchern. Die beiden ersten Befragten verwiesen darauf, etwas Neues mitbekommen zu wollen:

1. Befragter:
"Ich möchte mich über die neue Entwicklung in der Musik informieren."
2. Befragter:
"Das Unerhörte hören. Deswegen komme ich seit über 25 Jahren nach Moers"

Warum kommen die Menschen nach Moers? Warum möchten sie live gespielte Musik hören?

Der Umgang mit Musik kann unterschiedliche Funktionen haben, unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen. Auch der intellektuelle Weg hat seine besonderen Reize.

Die bewusste Auseinandersetzung mit Musik beinhaltet ein sinnstiftendes Potential. 'Neue' Musik kann womöglich nur als eine lebendige Musik erlebt werden, wenn sie tatsächlich die aktive Teilnahme ermöglicht. Immerhin wissen wir heute, dass es keine rein passive Rezeption von Musik gibt. Wir filtern, wir selektieren, wir sind aktiv an der Generation unseres Erlebnisses beteiligt. Und diese innovative Komponente hat ihren besonderen Reiz. Das ist unabhängig davon, ob wir zufällig gerade die passenden Worte finden.












2007 Moers:
Jeff Silvertrust Trio
Together

2 Kommentare:

Norbert Molitor hat gesagt…

Ein Kollege (Messebau) war in Moers:

"Und, wie wars?", frage ich ihn Mittwoch:
"Gut, gute Stimmung..."
"Und musikalisch?"
"Keine Ahnung, ich hör mir das nicht an..."
"Und warum gehst Du dann hin?"
"Ich treffe ein paar Freunde, seit Jahren..."
"Ohne Musik?"
"Ja, aber mit Bier."
"Und Deine Freundin? War die mit?"
"Ne..., die mag diese Musik nicht."

Grüße, Piranhase :)

Musiklabor-Netzwerk hat gesagt…

Das Moers Festival hat eine Anziehungskraft weit über die bloße Musikrezeption hinaus

 
blogoscoop