Normann M. Weinberger von der Abteilung für Neurobiologie und Verhalten an der Universität von Kalifornien stellt die Frage nach der Macht der Musik.
Diese Macht sieht Weinberger beispielsweise darin, dass
- mit Musik Menschen zu Tränen gerührt werden können
- kaum ein Film, kaum ein Werbespot darauf verzichten mag
- Kinder mit Liedern beruhigt werden
- Musik eingesetzt wird, um Massen aufzupeitschen
Wie kommt es, dass Musik unsere Gefühle anspricht?
Normann M. Weinberger zeigt Thesen der Evolutionsbiologie und der Hirnforschung auf, wie:
- in der Frühzeit habe Musik zum Überleben der Menschen beigetragen.
- Musik beeindruckt den Paarungspartner und stellt einen Faktor der sexuellen
Selektion dar (Geoffrey F. Miller von der Universität von New Mexiko in Albuquerque).
- Musik habe als sozialer Kitt gedient, um größere Gruppen zusammenzuhalten (Robin M. Dunbar von der Universität Liverpool).
- "Die Freude, die Musik geben kann, aktiviert einige derselben Schaltkreise des so genannten Belohnungssystems unseres Gehirns." (Weinberger, 2006, 37).
Zwei der von Normann M. Weinberger aufgeführte Aspekten der Gehirnforschung verdienen einer besonderen Beachtung:
1.) “Wenn der Mensch Musik hört oder ausübt, sind etliche weit verteilte Areale aktiv, auch welche, die sich normalerweise mit anderen kognitiven Aufgaben befassen.“ (Weinberger, 2006, 31)
2.) „… unser Gehirn ist für Musik auffallend plastisch. “ (Weinberger, 2006, 31)
Exkurs: Wenn verschiedene Musiker musizieren, ist das nicht schlicht dasselbe! Je nachdem, worauf der musizierende Musiker konzentriert ist, dürften auch andere Gehirnareale genutzt werden. Das Musikhören erscheint damit als komplexer Prozess.
Ein nicht unwesentlicher Aspekt besteht jedoch gerade auch darin, dass nicht nur (isoliert) musiziert wird, sondern dass ein Musiker sich beim Musizieren auch verhält!
Sitzt ein Musiker verspannt hinter dem Instrument? Bei Madonna, Mick Jagger und bei Musikern, die Wert auf Bewegung und eine aktive Bühnenshow legen, ist eher das Gegenteil der Fall.
Bei Worten wie Multimedia, Performance, Bühnenshow wird auf die mehrkanalige Darbietung von Sensationen gesetzt: Augen, Ohren, möglichst alle Sinne sollen hier aktiviert werden. Selbst an die Gerüche im Kino wurde bereits gedacht, als Zuschauern etwa in aufzureissenden Folien eingeschlossene Düfte offeriert wurden.
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Das mehrkanalige Sinnessystem wird in künstlerischen Darbietungen oft sehr gut berücksichtigt, übrigens nun offensichtlich in einem weit höherem Maß als in der am naturwissenschaftlichen Experiment orientierten Wissenschaft. So findet sich übrigens an diesem Schnittpunkt zwischen Differenzierung und Analyse einerseits, und Synthese und Zusammensetzung andererseits auch ein prägnanter Unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft, auf den hier hinzuweisen ist. Ende Exkurs
In der Musikwissenschaft wurde auch die Frage diskutiert, ob Musik eine Sprache ist oder nicht. Der Neurowissenschaftler Normann M. Weinberger geht heute von einer Gemeinsamkeiten zwischen Sprache und Musik aus:
“ … und beide haben eine Syntax, einen Satz an Regeln für die passende Kombination der Elemente, in dem Fall Wörter beziehungsweise Noten.“ (Weinberger, 2006, 32)
Unser Gehirn reagiert auch bei der Verarbeitung von Tönen nicht starr, es funktioniert nach einem anderen Prinzip als Lautsprecher oder Telefon. Und Reaktionen auf Musik sind sowohl beim musizierenden Musiker wie auch beim auf die Musik (bzw. auf die gesamte musikalische Performance) konzentrierten Zuhörer auch abhängig von Erfahrung und Übung (vgl. Weinberger, 2006, 34).
Im Bereich der Wahrnehmung von Tonhöhen verfügt unser Gehirn über eine erstaunliche Plastizität:
"Die Zellen der Hörrinde werden durch Erfahrung sozusagen neu gestimmt, so dass genügend viele bei bedeutenden Signalen mitwirken.“ (Weinberger, 2006, 35)
Es wird zunehmend deutlich: Nicht nur das aktive Musizieren, auch das Hören von Musik generiert Lernprozesse, und das ist unabhängig davon, ob sich der Hörer nun darüber bewußt ist oder nicht.
Etwas verständlicher wird mit dieser Erkenntnis aber auch die hohe Bedeutung, die die menschliche Gesellschaft der Musik bis zum heutigen Tage zuschreibt. Wir wissen heute, dass nicht gerade wenig Energie im Kampf um die 'richtige' Musik eingesetzt wurde.
Musik und ihre Effekte rücken inzwischen in die wissenschaftliche Aufmerksamkeit.
Die Möglichkeiten der neuen bildgebenden Verfahren in den Neurowissenschaften können dem komplexen Phänomen der Musikwahrnehmung offenbar in adäquaterer Weise begegnen als das klassische Laborexperiment.
Quellen:
Weinberger, Normann, M. (2006) Wie Musik im Gehirn spielt. Woher kommt die seltsame Macht der Musik? Forscher belauschen das Gehirn beim Hören und eigenen Musizieren. Die Hirnzellen reagieren darauf erstaunlich plastisch. In: Spektrum der Wissenschaft. Gehirn und Erleben, Heft 2/2006, Seite 31-37.
2006/09/02
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