2006/05/26

Die Angst und das Labyrinth

Die Sonne scheint und in Chania am alten Hafen kann gut flaniert werden. In Knossos erfahren wir mehr von der ersten europaeischen Hochkultur. Homer gehoerte zu denen, die vom Hof des Minos berichteten. Im Labyrinth von Knossos verspeiste der sagenhafte Minotaurus bei Gelegenheit den einen oder anderen Menschen. Solches Hörensagen kann Angst machen. Angst gehoert bekanntlich zu den Problemen, mit denen sich die Therapie bevorzugt auseinanderzusetzen hat. Die Kombination von Angst und Verirrung beinhaltet bedenkbare Verstrickungspotentiale, deren Aufloesung angestrebt werden kann.

Die Beschaeftigung mit dem Labyrinth gehoert also zu den faszinierenden Aspekten, mit denen sich die alten Griechen auseinandersetzten. Auch heute noch können tiefgehende Assoziationen bei der Arbeit mit dem 'Labyrinth' angeregt werden.

Der Mythos beinhaltet eine faszinierende Kraft, die uns zu bewegen vermag. In Bewegung zu kommen gilt es zunächst, wenn ueberfluessige Fixierungen gelöst werden möchten. Die Spannung zu nutzen bedeutet, der Angst nach zu gehen.

Dieser Weg ist für viele nicht selbstverständlich, denn ist es nicht gerade die Angst, die den Menschen so oft erstarren laesst? So wählt die Masse die Sachgasse der Vermeidung, statt den Weg der Angst nach zu gehen.

Also macht es Sinn, dem veraengstigen Menschen ein Mittel zur Distanzierung in die Hand zu geben, so dass die laehmende Kraft der Angst überwunden werden kann und der eigenen Angst erfolgreich begegnet werden kann.

Wenn der Betroffene ein wenig Abstand nehmen kann, von der Fixierung auf das eigene Selbst, vom Hadern mit dem schweren Schicksal, dann ist ein erster Schritt getan.

Immerhin geht es um eine Aufloesung einer Fixierung, einer Laehmung, eines Krampfes, womoeglich begleitet durch mentales depressives Kreisen. In solcher Situation ist ein Anschub zum Perspektivenwechsel gefragt.

Auch hier, mit dem prior'schen Minimax-Prinzip (minimaler Aufwand für maximalen Erfolg), könnte es fruchten, wenn der Blick des anderen gehoben werden kann. Der Wechsel der Perspektive von der psychologischen Selbstbeschau zur zur sozialeren Betrachtung; der Wechsel der Perspektive vom hoch betroffenen Einzellfall zur eher allgemeineren Schau. Wie immens ist doch das nutzbare Potential, wird eine allzu eingeschraenkte Perspektive erst einmal erweitert durch eine Eröffnung der Dimension des Sozialen. Auf diesem Weg bietet sich die Arbeit mit dem Mythos an.

So, nun wird es aber Zeit, die Sonne wieder etwas zu geniessen.

Dem werten Leser dieser Zeilen wuensche ich eine kreative Zeit und ich freue mich, wenn der eine oder die andere durch diese Worte fuer die eigene therapeutische Arbeit etwas angeregt werden konnte

4 Kommentare:

Norbert Molitor hat gesagt…

Schöne Ferien!

Anonym hat gesagt…

Die Schaffung von Distanz muß nicht einhergehen mit einer sozialen Betrachtung: Die Reflexion des betroffenen Einzelfalls kann zur notwendigen Lösung von der Fixierung führen. Dabei halte ich allerdings die Dimension des Sozialen garnicht für eine Erweiterung der Perspektive sondern fasse sie eher als Ablenkung von der zu erledigenden Arbeit, nämlich der Reflexion bzw. Besinnung, auf.
Robert

Musiklabor-Netzwerk hat gesagt…

Danke Piranhase,
eine Woche habe ich noch. Doch auch wenn wir jetzt wieder in unserer klimatischen Region sind, freuen wir uns auf Moers.
Vielleicht kann ich dort die Gelegenheit nutzen, zwischen oder nach den Konzerten das eine oder das andere Interview zur Musik in der sozialen Arbeit zu ergattern.

Musiklabor-Netzwerk hat gesagt…

Hallo Robert,

vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich habe soeben meinen Text, auf den Du Dich beziehst noch einmal kurz verbessert und präzisiert.

Dein Kommentar ist für meine Positionierung allerdings sehr hilfreich, da er sehr gut kontrastiert.

Zum erst Gesagten stimme ich Dir noch voll zu. Distanz kann sicher mit alternativen Mitteln geschaffen werden. Jedoch ist die Reflexion des betroffenen Einzelfalles nicht der ausschließlich begehbare Weg zur Lösung von Fixierungen.

In meiner Arbeit mit Fixierungen wähle ich allerdings sehr oft einen eher indirekten Weg, der mir gerade hier effektiver und effizienter erscheint.

Immerhin übt das kurze und prägnante, auf das vermeintliche Problemzentrum fokussierte Argumentationsschema des unglücklich Fixierten eine starke Sogkraft aus, die flexible Lösungen erheblich beeinträchtigen kann. Dieser Tendenz zur Statik gilt es daher zu begegnen.

Wenn der sich unglücklich Fühlende im Kontext von scheinbar prägnanten und anziehend direkten assoziativen Verknüpfungen bei der Identifikation vermeintlicher Ursachen seines Mißempfindens die soziale Dimension jedoch oft vernachlässigt, um sich statt dessen oft einer egozentrischen Nabelschau widmet, ist der sich selbst bemitleidenden Bewußtheit dann bereits die Erkenntnis entwichen, dass der Mensch als Mensch vor allem ein sozial geformtes und sozial agierendes Wesen ist.

Bereits Aristoteles hatte sich intensiv mit dieser fruchtbaren Perspektive auseinandergesetzt.
Ursula Wolf weist beispielsweise darauf hin, das Aristoteles seine ethische Abhandlung als eine Art p o l i t i s c h e U n t e r s u c h u n g verstand. (vgl. Wolf, 2006: Aristoteles. Nikomachische Ethik. Hamburg: Rowohlt, Seite 10)

Eine Reflexion bzw. Besinnung, die die eigene sozialen Gewordenheit bzw. die dynamische soziale Identität vernachlässigt oder ausblendet halte ich für ungünstig und bedenklich.

Aus pädagogisch/therapeutischer RIM- Perspektive steht die Dimension des Sozialen daher gerade nicht für die Ablenkung von der zu erledigenden Arbeit, sondern beinhaltet vielmehr die Essenz: hier kann gewissermaßen aus dem Vollem geschöpft werden.

 
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