"Wie so viele andere schlaue Erfindungen ist die Funktionsweise einer beliebigen Melodie unerklärlich einfach und im Grunde überhaupt nicht einleuchtend." (Jourdain, 2001, 88)
"Eine einprägsame Melodie ist Magie - durch ihre bloße Kraft und deshalb, weil unser Gehirn sie irgendwie aus den Zigmillionen Möglichkeiten schlechterer Varianten ausgewählt hat. Tausende neuer Melodien drängen jedes Jahr auf den Markt, doch nur wenige finden Gefallen. Wenn eine wirklich gute Melodie mal dabei ist, eine, die uns tief berührt und uns nicht mehr losläßt, feiern wir sie regelrecht, indem wir sie immer und immer wieder anhören." (Jourdain, 2001, 89)
"Die Suche nach den Gesetzmäßigkeiten im Aufbau einer Melodie ist auch ganz allgemein für unsere Frage von Bedeutung, wie Musik uns gefangenhält und uns mit Freude erfüllt." (Jourdain, 2001, 90)
"Im Alter von sechs Monaten reagiert ein Kind auf Veränderungen einer melodischen Linie, aber es zeigt interessanterweise keine Reaktion, wenn eine Melodie in eine höhere oder tiefere Lage transponiert wird. ...
Neuere Forschungsergebnisse haben gezeigt, daß manche Kinder schon mit zwei Monaten die Tonhöhe und Melodiekontur von Liedern wiedergeben konnten, die sie von ihrer Mutter gehört hatten. ...
Kleineren Kindern fehlt also der Sinn für harmonische Verbindungen innerhalb einer Melodie; für sie ist Melodie lediglich eine äußere Gestalt, eine Achterbahn mit der Stimme. ...
Erst mit drei oder vier Jahren hören Kinder auf, jeden Ton von sich zu geben, der ihnen in den Sinn kommt, und beginnen statt dessen, die Kultur zu reproduzieren, in der sie aufwachsen. Allmählich dämmert ihnen, daß Musik auf bestimmten Tonschritten aufgebaut ist und das die Töne eine bestimmte zeitliche Dauer aufweisen. Bis zu diesem Zeitpunkt beurteilen sie zwei unterschiedliche Melodien noch als "gleich", solange sie im Auf- und Absteigen ihres melodischen Verlaufs übereinstimmen, doch jetzt stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, sich an genaue Intervalle und Tonlängen zu erinnern." (Jourdain, 2001, 91 f.)
Quelle: Jourdain, Robert (2001) Das wohltemperierte Gehirn. Wie Musik im Kopf entsteht und wirkt. Amerikanische Originalausgabe 1997, Heidelberg: Spektrum.
2005/11/11
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