2006/07/28

Musikalität und Förderung in der Sozialen Arbeit




















Theo Hartogh und Hans Hermann Wickel schreiben zum Verständnis von Musik und Musikalität in der Sozialen Arbeit:

"Da jeder Mensch Musik erlebt und sich z.B. in Improvisationen musikalisch auszudrücken oder hörend musikalische Prozesse nachzuempfinden bzw. mitzuvollziehen vermag, gibt es keine unmusikalischen Menschen, sondern nur verschiedene Ausprägungsgrade von Begabungen, ..." (Hartogh/Wickel, 2004, 45)

Die Autoren beziehen sich auf die Untersuchung von H. Gembris zur musikalischen Begabung und Entwicklung, wenn sie schreiben, dass negative Erfahrungen in der Sozialisation, Zuschreibungen durch Familienmitglieder, Freunde oder musikpädagogische Autoritäten zu solchen Selbstzuschreibungen führen wie: "Ich bin unmusikalisch."

Doch erschöpfe sich Musikalität nicht im Singen korrekter Tonhöhen, im fehlerfreien Spiel auf dem Instrument oder im Besitz des absoluten Gehörs. (vgl. Hartogh/Wickel, 2004, 46)

Aufgrund musikpsychologischer und musikpädagogischer Erkenntnisse unterscheide sich das Verständnis von Musikalität in der Sozialen Arbeit von "einem falschen Verständnis von Musikalität als messbare Leistung und abhängige Variable von Könnerschaft ..." (vgl. Hartogh/Wickel, 2004, 46).

"Gerade im Feld der Sozialen Arbeit können Klienten im spielerischen und kreativen Umgang mit Musik eine völlig neue Sichtweise von Musik gewinnen und sich als kompetente Musiker erfahren. Für dieses Musizieren sind weder Notenlesen noch das Beherrschen eines Instruments unabdingbare Voraussetzungen. Die eigene (ungeschulte) Stimme und/oder z.B. einfache Schlaginstrumente sind ausreichendes Material, um mit Freude und innerer Befriedigung ohne fremdbestimmte Wertungen zu musizieren ..." (Hartogh/Wickel, 2004, 46)

Natürlich gehören optisch und technisch hinreichend gute Musikinstrumente auch in die Soziale Arbeit.

Hartogh und Wickel verweisen auf einen sehr wichtigen Unterschied zwischen herkömmlicher, am überkommenen Musikunterricht orientierter Musikpädagogik und dem Einsatz von Musik als Medium in der Sozialen Arbeit:

"Auf der Basis dieses Verständnisses steht ein Zugang zur Musik und über Musik grundsätzlich jedem Klientenkreis offen." (Hartogh/Wickel, 2004, 45)

Natürlich gibt es plausible Erklärungen für die leistungsorientierte Selektion, die bereits in den frühen Schuljahren erfolgt. Doch ist diese frühe Selektion im öffentlichen Schulsystem nicht im sozialarbeiterischen Pro-Klientel-Prinzip der systemischen Sozialarbeit begründet. Wenn musikalisch leistungsfähigere Schüler mit zusätzlichen schulischen Arbeitsgemeinschaften gefördert werden, folgt dies eher dem Leistungsprinzip, der produktorientierten Pädagogik oder schlicht dem Bedürfnis der Pädagogen, qualifizierte Arbeitsleistungen vorweisen zu können, was letztlich auch zur produktorientierten schulischen Musikpädagogik führt.

Entsprechend werden jedoch dann 'begabte Schüler' stillschweigend mit den Schülern verwechselt, die bereits im erheblichem Umfang außerschulische musikalische Ausbildung erhalten haben.

Dann wird die leistungsorientierte Förderung natürlich auch durchgängig durch das Prinzip der Elitenförderung angeschoben. Das Prinzip der Förderung der Begabten hat zwar Sinn und Bedeutung, jedoch besteht das Klientel der Sozialen Arbeit gerade nicht in den seit frühester Jugend bestens geförderten Eliten.

Klienten der Sozialen Arbeit unterscheiden sich jedoch von angehenden professionellen Künstlern. Auf öffentliche Förderung sind beide Gruppen angewiesen.

Ein Statement von Wolfgang Dauner (Jazzmusiker) verdeutlicht den künstlerisch orientierten Förderungsbedarf: "Im Prinzip glaube ich, dass Musik mit einem künstlerischen Anspruch ohne Sponsoring so gut wie keine Chance hat." (Dauner im Interview mit Professor Christoph Spendel, Keyboards 7/2006, S. 45)

Das künstlerische System und das System der Soziale Arbeit unterscheiden sich jedoch erheblich in Zielsetzung und Programmatik. Bedarf auf öffentliche Förderung und Sponsoring melden beide an.

Damit die Zielsetzung der Sozialen Arbeit realisieren werden kann, ist vor allem eine qualifizierte fachliche Argumentation erforderlich, denn Argumente für die Notwendigkeit einer künstlerischer Förderung sind nicht die Argumente für die Notwendigkeit der Förderung von Musik in der Sozialen Arbeit.

Quellen:

Hartogh, Theo; Wickel, Hans Hermann (2004) Musik und Musikalität. Zu der Begrifflichkeit und den (sozial-)pädagogischen und therapeutischen Implikationen. In: Hartogh, T.; Wickel, H.H. (2004) Handbuch Musik in der Sozialen Arbeit. Weinheim: Juventa, S. 45-55.

Wolfgang Dauner im Interview mit Professor Christoph Spendel. In: Keyboards, 07/2006, Köln: MM-Musik-Media-Verlag, S.44-45.

Weiterführende Literatur/Artikel:

Gembris, H. (2002) Grundlagen musikalischer Begabung und Entwicklung. In: Forum Musikpädagogik Bd. 20. 2. Aufl., Augsburg: Wissner.

http://musiklabor-netzwerk.blogspot.com/2006/07/frderpreis-fr-musikpdagogische.html

http://musiklabor-netzwerk.blogspot.com/2006/06/frderung-der-rock-und-popmusik-in-den.html

http://musiklabor-netzwerk.blogspot.com/2006/06/fragen-zur-deutschen-musikfrderung.html

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