2006/01/17

Strategien gegen Trübsinn und Grübeln

Das Denken und das Grübeln können zu einer leidvollen Gewohnheit werden.

In der 'Philosophischen Hintertreppe' kennzeichnet Wilhelm Weischedel Kierkegaard als einen Philosophen, der sich mit dieser Problematik besonders intensiv auseinandergesetzt hat und zudem auch erkannte, dass die Sucht nach der unaufhörlichen Reflexion das Handeln verhindert.

Wer so viel denkt und grübelt, dass ihm das Denken ein Jammertal beschert, der hat tatsächlich ein Problem, gerade wenn diese Fokussierung zunehmenden Raum einnimmt und die Lebensqualität beeinträchtigt.

Wenn es darum geht etwas Vernünftiges zu lernen, mag es manchmal hilfreich sein, ein vernünftiges Modell heranzuziehen. Wenn es darum geht, Vorbilder für das Modelllernen heranzuziehen, mag es manchmal hilfreich sein, geeignete Vorbilder auszuwählen. Hier mag uns der angesehene Wissenschaftstheoretiker Sir Karl Raimund Popper (Logik der Forschung) eine Hilfe sein.

Doch zuvor sollten wir noch einen weiteren Aspekt in unsere Überlegungen aufnehmen. Dies sei die Leitunterscheidung des kognitiven Psychologen Seligman, der zwischen Optimismus und Pessimismus differenziert. Oder drücken wir uns etwas präziser aus: Seligman differenziert zwischen optimistisch und pessimistisch.

Erinnern wir uns daran, dass die Substantive 'Pessimismus' und 'Optimismus' eher hart, starr und rigide erscheinen und womöglich gar die Tendenz zum Unlebendigen transportieren.

Dagegen beeindrucken uns doch die Wörter 'optimistisch' und 'pessimistisch' auf eine ganz andere Art und Weise.

Während der substantivistische Sprecher in einer kommunikativen Sequenz wohl eher als starr, steif, womöglich gar verstockt erlebt wird, eröffnet uns eine etwas eleganter wirkende Sprechweise, die auf übermäßigen Substantivgebrauch verzichtet, erweiterte Chancen, als ein etwas flexiblerer und womöglich auch ansprechender und lebendiger wirkender Mensch vom Gegenüber wahrgenommen zu werden.

Während die eine Sprechweise womöglich denjenigen Menschen etwas mehr zueigen ist, die sich unermüdlich darin abmühen, andere in 'Persönlichkeiten' einzuordnen – was immer sie darunter auch verstehen mögen – eröffnet ein natürlicherer Sprachgebrauch ohne übermäßigen Gebrauch von Substantiven möglicherweise die Chance auf ein verändertes Erleben.

Die Fähigkeit, das eigene kommunikative Verhalten vorteilhaft zu variieren, bietet Möglichkeiten, die nicht nur genutzt werden können, sondern die gerade in einer musikorientierten Therapie oder nachträglichen Pädagogik auch vermittelt bzw. angeeignet werden können. Hier sei die Aufmerksamkeit auf das Stichwort 'nonverbale Kommunikation' gelenkt und auf die reichen Möglichkeiten, die die Musik bietet, die eigene Ausdrucksfähigkeit zu verbessern.

In einem weiteren Schritt befassen wir uns nun damit, den Problembegriff aus dem negativen Assoziationsfeld zu befreien. Hierzu greifen wir auf das von uns soeben eingeführte vernünftige Modell zurück, also auf das Vorbild des großen Philosophen Karl Popper, der auch heute noch im Assoziationsfeld des vernünftigen Denkens steht. Wir erinnern uns, dass die großen Wissenschaftler und gerade auch die Wissenschaftler mit hohen mathematischen Fähigkeiten und Kompetenzen, wie beispielsweise Alfred Einstein, oft einen besonderen Bezug zur Musik hatten. Das Interresse der Musik der intellektuell Leistungsfähigsten gibt uns wertvolle Hinweise ...

Karl Popper betrachtete Probleme nicht als etwas negatives, sondern im Gegenteil, als etwas Anregendes und Bewegendes. Dies wird sehr deutlich, wenn wir bei Sir Karl Popper lesen können, dass für ihn das Leben Problemlösen ist. Was an Popper nach wie vor beeindruckt, ist dieses positive Bekenntnis zum Leben, welches sich den Problemen widmet, indem es sich zur Forschung berufen fühlt.

Während die meisten Menschen den Begriff des 'Lebens' vermutlich mit erheblich positiveren Prädikaten verbinden als den Begriff des 'Problems' und während die am Leben verzweifelten Menschen an den für sie vermeintlich unüberwindbaren Problemen in ihren apokalyptischen Vorstellungen zu zerbrechen drohen, bietet uns das Modell des berühmten Wissenschaftlers Sir Karl Raimund Popper einen weit weniger verspannten Ausweg aus dem Dilemma.

Für Karl Popper bestand das Leben in seiner positiven Qualität nicht zuletzt darin, dass es ihm Gelegenheit dazu bot, Probleme zu lösen.

Andere Wissenschaftler sprechen mit ähnlichem Elan von 'eleganten Problemlösungen' und Wissenschaftler aus der Künstlichen Intelligenzforschung sprechen beispielsweise von einem ’Sprung aus dem System’.

Nun mag ein depressiver Mensch von solchen verbal vermittelten und den Intellekt ansprechenden Anregungen vollkommen unbeeindruckt bleiben, wenn er auf seine deprimierende Position beharren möchte. Leicht sagt sich: "Ich bin aber kein brillanter Wissenschaftler".

Doch wenn die Attacke auf den Intellekt versagt, gibt sich der kundige Musiktherapeut noch längst nicht geschlagen. Er reicht dem sich in deprimierenden Denkspiralen Windenden ein Musikinstrument und stellt eine musikalische Aufgabe.

Und während sich Aufmerksamkeit und Konzentration des Klienten auf die Bewältigung dieser Aufgabe richten, wird Energie von der selbstzerstörerischen Grübelleistung abgezogen und während der Klient 'aus dem System springt', vom Denken ins Handeln kommt, registriert der Musiktherapeut mit Freude das gewechselte, nun strahlend beglückte Gesicht.

Quellen:

Popper, Karl R. (2002) Alles Leben ist Problemlösen. (1. Aufl. 1996) München: Piper.

Seligman, Martin (1993) Pessimisten küsst man nicht. Optimismus kann man lernen. München: Knaur.

Weischedel, Wilhelm (2004) Die Philosophische Hintertreppe. Die großen Philosophen im Alltag und Denken. (1. Aufl. 1966) München: dtv

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