2012/03/05

Schrödingers's cat - Interview mit Alpay Efe

Alpay Efe: Schrödinger's cat - Rundgang 2012 Kunstakademie Düsseldorf 

Könnten Sie etwas über Ihr Bild ’Schrödingers Katze’ erzählen?
Schrödinger’s cat ist der Titel. Ich hoffe, dass es Ihnen gefallen hat, aber sonst hätten Sie wahrscheinlich auch nicht danach gefragt.
Ja. Das Bild hat eine intensive Ausstrahlung.
Der Titel erschließt sich ja eigentlich nicht auf dem ersten Blick, der kleine gemalte Zettel am Bild ist der Schlüssel um es zu verstehen. Ich arbeite an mehreren Bildern gleichzeitig und halte Ideen oft auf kleinen Zetteln fest. Einer von diesen Zetteln ist bei Schrödinger’s cat mitgemalt. Dabei stelle ich die Frage: Was ist eigentlich ein Bild?
Schrödinger’s cat ist ein  Gedankenexperiment aus der Quantenphysik, bei der sich eine Katze in einem geschlossenen Raum befindet, und letztendlich läuft es darauf hinaus, dass die Katze beim Öffnen des Raumes lebendig oder tot ist. Der Zustand der Katze legt sich aber erst im Moment des Öffnens fest. Vorher befindet sich die Katze in einem Zustand der Überlagerung: sie ist gleichzeitig lebendig und tot.
Für mich verweist dieses Experiment auf eine gewisse Dualität und zeigt auf, dass nichts so ist, wie man denkt. Der Vanitas-Gedanke beispielsweise bekommt dabei eine ganz neue Bedeutung.
Der Hintergrund des Bildes zeigt mein Atelier. Man sieht Tücher an der Wand oder eine Staffelei. Schauen wir uns alte Fotos von Malern in ihren Ateliers an: Ein Maler steht vor seiner Staffelei und malt diese kleinen Putten, kleine Engel mit Flügeln, und seine Modelle, kleine Kinder, sind nackt an Seilen aufgehängt. Diese Situation ist gerade zu abstrakt. Denn das, was später auf dem Bild zu sehen ist, zeigt weder das, was passiert ist, noch das, was ein Künstler machen oder durchleben muss, um das Bild fertig zu stellen. Doch eben diesen Gedanken finde ich ganz interessant, und ich erinnere an diese Dualität, in dem das Bild den Arbeitsprozess zeigt.
Das Post-It auf dem Bild Schrödinger’s cat verrät nicht nur den Inhalt sondern zeigt dem Betrachter auch, wie ein Maler denkt und arbeitet. Das ist eigentlich das größte Geheimnis an der Malerei: Das, was man nie sieht. Das finde ich am spannendsten und das ist auch das, was ich am liebsten allen Leuten zeigen würde. Aber dann müsste ich jeden zu mir ins Atelier einladen und vorführen, wie ich arbeite. Für mich persönlich ist der ganze Prozess bis zum fertigen Bild der spannendste Teil an der Malerei. Das, was danach kommt, ist fast schon uninteressant.
Wenn ich Bilder male, habe ich eine gewisse Szene im Kopf, sagen wir mal eine Frau, die in einer Bar sitzt oder im Zug sitzt oder sonst irgendwo. Ich bin dann dazu gezwungen, eine Person zu malen, die eine bestimmte Haltung hat. Dann tue ich als Künstler alles dafür, um das zu realisieren: Zum Beispiel einen Hocker irgendwo hinklemmen und mein Atelier umräumen, wie bei Schrödinger’s Cat. Vielleicht mit Klammern die Kleidung zurechtzupfen, damit diese auch richtig liegt. Oder mit Seilen etwas befestigen, damit es schwebt. In der Regel würde man solche Dinge auf dem fertigen Bild nicht sehen. Bei mir schon: Man sieht genau die Szene im Atelier, so wie ich sie sehe oder gesehen habe, und nicht so, wie der Betrachter sie eigentlich sehen sollte.

Ein figurativer Maler kann seine Ideen nicht immer unmittelbar umsetzen. Da man nicht jedes Modell universell einsetzen kann, muss man warten, bis man das richtige Modell gefunden hat. Ich habe immer einen Fundus an Ideen. Wenn ich denke, ich bin dem perfekten Modell gerade über den Weg gelaufen, spreche ich diese Person an und frage, ob sie Lust dazu hat. Oder ich suche gezielt nach Modellen. Erst dann kann ich ein Bild malen, vorher nicht, vorher habe ich nur die Idee.
 Auf dem Rundgang wurde Schrödinger’s cat sehr beachtet, und die junge Frau auf dem Foto wirkte ganz in der Betrachtung versunken. In der Kunstakademie wird derzeit relativ wenig fotorealistisch gemalt. Oder wie nennt man das?
Ich würde es einfach Realismus nennen. Obschon realistisch ist es ja nicht wirklich, denn bei näherer Betrachtung ist die Pinselstruktur schon fast abstrakt. Aber es stimmt schon, ich gehöre ein bisschen zur aussterbenden Art. Nicht, weil die Leute das nicht unbedingt können möchten. Ich bin mir sicher, dass es jedem, auch dem abstraktesten Künstler etwas bringen würde: Zeichnen zu können und auch, was noch viel wichtiger ist, Farben zu verstehen. Wie Farben sich mischen, damit überhaupt eine Leuchtkraft oder Bildwirkung zustande kommt, das gehört zum Handwerkszeug eines jeden Künstlers.
Warum machen Sie das was Sie tun? Warum arbeiten Sie als Künstler? Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
An der Kunst fasziniert mich an sich erst einmal die Malerei. Das liegt einfach in der Natur der Dinge. Es ist faszinierend, was man alles mit Pinsel und Farbe abbilden kann, sogar Emotionen. Warum ich jetzt so male, wie ich male? Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich Menschen interessant finde. Ein Gesicht spricht tausend Worte und jede individuelle Persönlichkeit hat eine geradezu magische Anziehungskraft. Und dem kann man, meiner Meinung nach, mit keinem abstrakten Bild der Welt gerecht werden. Warum ich um sechs Uhr aufstehe und arbeite? Es ist halt Arbeit, das darf man nicht vergessen. Viele Leute denken, dass das Künstlerleben ganz toll ist und man malt ein bisschen, hier und da, und ansonsten ist man auf Ausstellungseröffnungen und was weiß ich: Wein, Weib und Gesang, aber so ist das nicht.
Das Künstlersein kann nicht gelehrt werden, hat Markus Lüpertz irgendwann mal gesagt. (2002 in einem Interview von Axel Hecht) Ein Schüler oder ein Student muss die Motivation, die Begeisterung und die Leidenschaft selber bringen.    
Das ist richtig. Aber bis zu einem gewissen Grad kann man grundlegende Sachen erlernen. Die Grundkenntnisse von Farbe oder Komposition kann man durchaus lernen. Aber man lernt nie, Künstler zu sein. Wie gesagt, Künstler zu sein bedeutet eben nicht, einfach nur in den Tag hinein zu leben und ein bisschen zu malen, sondern Künstler zu sein bedeutet harte Arbeit. Ich nehme das natürlich ernst. Die Leute schauen sich meine Bilder an und geben ja auch gegebenenfalls Geld dafür aus. Deshalb ist es mir wichtig, dass die Betrachter sehen, dass ich das, was ich mache, ernst nehme und viel Zeit dafür investiere. Ich würde nie auf die Idee kommen, ein Bild auszustellen oder sogar zu verkaufen, von dem ich nicht überzeugt bin. Das wäre so, als würde man das Vertrauen der Leute ausnutzen. Es gibt Künstler, die machen so etwas und schreiben dann ganz tolle Beipackzettel, die die Bedeutung der Bilder erklären, aber letzten Endes haben die zehn Minuten daran gearbeitet und sich noch weniger Gedanken darüber gemacht. Bei mir ist das nicht so. Und ich hoffe, dass man das auch sieht.
Für mich kommt das bei Schrödinger’s cat klar rüber, dabei würde ich jetzt nicht behaupten, dass ich irgendeine Ahnung habe von der Kunst.
Das ist aber meiner Meinung nach das beste Feedback, das ich kriegen kann. Ich male ja nicht nur für den Kunstmarkt. Natürlich auch, weil ich als Künstler davon lebe. Aber ich male in erste Linie für andere Menschen und es soll jemandem, der sich niemals ein Bild leisten kann, genauso gut gefallen, wie einem Galeristen.
Was hat Sie zur Kunst gebracht? Hatten Sie Vorbilder? 
Natürlich. Unendlich viele. Die kann ich gar nicht alle aufzählen. Von den Klassikern, die man kennt, Michelangelo, oder Rembrand, von mir aus auch, oder ...
... und als Sie noch in der Schule waren, im Kunstunterricht? Irgendwann muss es ja losgegangen sein ...
Das hat bei mir schon sehr früh angefangen. Ich habe mich immer mit kreativen Sachen auseinandergesetzt. Am Anfang war es die Zeichnung. Dann Comics und Illustrationen. Dadurch setzt man sich auch zwangsläufig mit der Kunstgeschichte auseinander. Und die Kunstgeschichte hat eine jahrhunderte lange Tradition, die so viel bietet, dass es einen packt. Man möchte mit den alten Meistern wetteifern. Oder man möchte mit der Geschichte wetteifern. Es war dann aber auch irgendwann so, dass ich bei Comics oder Illustrationen immer die Ideen anderer umsetzte. Andere Leute denken sich Dinge aus  und man ist dann nur noch die ausführende Hand. Da hatte ich einfach irgendwann keine Lust mehr zu. Ich war kreativ. Immer gewesen. Und ich hatte Ideen, die ich gerne selber umsetzen wollte. Das geht am besten durch die Malerei.
Ich denke, es ist ein wertvolles Bild. Und es gefällt mir persönlich auch am besten. 
Ja. Da freue ich mich. Es ist mein Neuestes. Und man denkt ja auch immer von seinem neuesten Bild, dass es das Beste ist.
Ganz herzlichen Dank für das Interview.
Nichts zu danken. Ich freue mich, dass es so gut angekommen ist. Ich habe auch sonst sehr viel positive Resonanz bekommen, und ich freue mich, wenn Leute sich dafür interessieren und sich bei mir melden, um mir zu sagen, wie gut es ihnen gefallen hat. Darüber freue ich mich eigentlich mehr, als alles Andere.   

Interview: Gerd Fierus 

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