Alpay Efe: Schrödinger's cat - Rundgang 2012 Kunstakademie Düsseldorf |
Könnten
Sie etwas über Ihr Bild ’Schrödingers Katze’ erzählen?
Schrödinger’s
cat ist der Titel. Ich hoffe, dass es Ihnen gefallen hat, aber sonst hätten Sie
wahrscheinlich auch nicht danach gefragt.
Ja. Das
Bild hat eine intensive Ausstrahlung.
Der
Titel erschließt sich ja eigentlich nicht auf dem ersten Blick, der kleine gemalte
Zettel am Bild ist der Schlüssel um es zu verstehen. Ich arbeite an mehreren
Bildern gleichzeitig und halte Ideen oft auf kleinen Zetteln fest. Einer von
diesen Zetteln ist bei Schrödinger’s cat mitgemalt. Dabei stelle ich die Frage:
Was ist eigentlich ein Bild?
Schrödinger’s
cat ist ein Gedankenexperiment aus
der Quantenphysik, bei der sich eine Katze in einem geschlossenen Raum befindet,
und letztendlich läuft es darauf hinaus, dass die Katze beim Öffnen des Raumes
lebendig oder tot ist. Der Zustand der Katze legt sich aber erst im Moment des Öffnens
fest. Vorher befindet sich die Katze in einem Zustand der Überlagerung: sie ist
gleichzeitig lebendig und tot.
Für
mich verweist dieses Experiment auf eine gewisse Dualität und zeigt auf, dass
nichts so ist, wie man denkt. Der Vanitas-Gedanke beispielsweise bekommt dabei
eine ganz neue Bedeutung.
Der
Hintergrund des Bildes zeigt mein Atelier. Man sieht Tücher an der Wand oder
eine Staffelei. Schauen wir uns alte Fotos von Malern in ihren Ateliers an: Ein
Maler steht vor seiner Staffelei und malt diese kleinen Putten, kleine Engel
mit Flügeln, und seine Modelle, kleine Kinder, sind nackt an Seilen aufgehängt.
Diese Situation ist gerade zu abstrakt. Denn das, was später auf dem Bild zu
sehen ist, zeigt weder das, was passiert ist, noch das, was ein Künstler machen
oder durchleben muss, um das Bild fertig zu stellen. Doch eben diesen Gedanken
finde ich ganz interessant, und ich erinnere an diese Dualität, in dem das Bild
den Arbeitsprozess zeigt.
Das
Post-It auf dem Bild Schrödinger’s cat verrät nicht nur den Inhalt sondern
zeigt dem Betrachter auch, wie ein Maler denkt und arbeitet. Das ist eigentlich
das größte Geheimnis an der Malerei: Das, was man nie sieht. Das finde ich am spannendsten
und das ist auch das, was ich am liebsten allen Leuten zeigen würde. Aber dann
müsste ich jeden zu mir ins Atelier einladen und vorführen, wie ich arbeite. Für
mich persönlich ist der ganze Prozess bis zum fertigen Bild der spannendste
Teil an der Malerei. Das, was danach kommt, ist fast schon uninteressant.
Wenn
ich Bilder male, habe ich eine gewisse Szene im Kopf, sagen wir mal eine Frau,
die in einer Bar sitzt oder im Zug sitzt oder sonst irgendwo. Ich bin dann dazu
gezwungen, eine Person zu malen, die eine bestimmte Haltung hat. Dann tue ich
als Künstler alles dafür, um das zu realisieren: Zum Beispiel einen Hocker
irgendwo hinklemmen und mein Atelier umräumen, wie bei Schrödinger’s Cat.
Vielleicht mit Klammern die Kleidung zurechtzupfen, damit diese auch richtig liegt.
Oder mit Seilen etwas befestigen, damit es schwebt. In der Regel würde man
solche Dinge auf dem fertigen Bild nicht sehen. Bei mir schon: Man sieht genau
die Szene im Atelier, so wie ich sie sehe oder gesehen habe, und nicht so, wie
der Betrachter sie eigentlich sehen sollte.
Ein
figurativer Maler kann seine Ideen nicht immer unmittelbar umsetzen. Da man
nicht jedes Modell universell einsetzen kann, muss man warten, bis man das
richtige Modell gefunden hat. Ich habe immer einen Fundus an Ideen. Wenn ich
denke, ich bin dem perfekten Modell gerade über den Weg gelaufen, spreche ich diese
Person an und frage, ob sie Lust dazu hat. Oder ich suche gezielt nach
Modellen. Erst dann kann ich ein Bild malen, vorher nicht, vorher habe ich nur
die Idee.
Auf dem Rundgang wurde Schrödinger’s cat
sehr beachtet, und die junge Frau auf dem Foto wirkte ganz in der Betrachtung
versunken. In der Kunstakademie wird derzeit relativ wenig fotorealistisch gemalt.
Oder wie nennt man das?
Ich
würde es einfach Realismus nennen. Obschon realistisch ist es ja nicht
wirklich, denn bei näherer Betrachtung ist die Pinselstruktur schon fast
abstrakt. Aber es stimmt schon, ich gehöre ein bisschen zur aussterbenden Art. Nicht,
weil die Leute das nicht unbedingt können möchten. Ich bin mir sicher, dass es
jedem, auch dem abstraktesten Künstler etwas bringen würde: Zeichnen zu können
und auch, was noch viel wichtiger ist, Farben zu verstehen. Wie Farben sich
mischen, damit überhaupt eine Leuchtkraft oder Bildwirkung zustande kommt, das
gehört zum Handwerkszeug eines jeden Künstlers.
Warum machen Sie das was Sie tun?
Warum arbeiten Sie als Künstler? Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
An
der Kunst fasziniert mich an sich erst einmal die Malerei. Das liegt einfach in
der Natur der Dinge. Es ist faszinierend, was man alles mit Pinsel und Farbe
abbilden kann, sogar Emotionen. Warum ich jetzt so male, wie ich male? Wahrscheinlich
liegt es daran, dass ich Menschen interessant finde. Ein Gesicht spricht
tausend Worte und jede individuelle Persönlichkeit hat eine geradezu magische
Anziehungskraft. Und dem kann man, meiner Meinung nach, mit keinem abstrakten
Bild der Welt gerecht werden. Warum ich um sechs Uhr aufstehe und arbeite? Es
ist halt Arbeit, das darf man nicht vergessen. Viele Leute denken, dass das Künstlerleben
ganz toll ist und man malt ein bisschen, hier und da, und ansonsten ist man auf
Ausstellungseröffnungen und was weiß ich: Wein, Weib und Gesang, aber so ist das
nicht.
Das Künstlersein kann nicht gelehrt
werden, hat Markus Lüpertz irgendwann mal gesagt. (2002 in einem Interview von
Axel Hecht) Ein Schüler oder ein Student muss die Motivation, die Begeisterung
und die Leidenschaft selber bringen.
Das
ist richtig. Aber bis zu einem gewissen Grad kann man grundlegende Sachen erlernen.
Die Grundkenntnisse von Farbe oder Komposition kann man durchaus lernen. Aber
man lernt nie, Künstler zu sein. Wie gesagt, Künstler zu sein bedeutet eben
nicht, einfach nur in den Tag hinein zu leben und ein bisschen zu malen,
sondern Künstler zu sein bedeutet harte Arbeit. Ich nehme das natürlich ernst.
Die Leute schauen sich meine Bilder an und geben ja auch gegebenenfalls Geld
dafür aus. Deshalb ist es mir wichtig, dass die Betrachter sehen, dass ich das,
was ich mache, ernst nehme und viel Zeit dafür investiere. Ich würde nie auf
die Idee kommen, ein Bild auszustellen oder sogar zu verkaufen, von dem ich
nicht überzeugt bin. Das wäre so, als würde man das Vertrauen der Leute ausnutzen.
Es gibt Künstler, die machen so etwas und schreiben dann ganz tolle
Beipackzettel, die die Bedeutung der Bilder erklären, aber letzten Endes haben
die zehn Minuten daran gearbeitet und sich noch weniger Gedanken darüber
gemacht. Bei mir ist das nicht so. Und ich hoffe, dass man das auch sieht.
Für mich kommt das bei Schrödinger’s
cat klar rüber, dabei würde ich jetzt nicht behaupten, dass ich irgendeine
Ahnung habe von der Kunst.
Das
ist aber meiner Meinung nach das beste Feedback, das ich kriegen kann. Ich male
ja nicht nur für den Kunstmarkt. Natürlich auch, weil ich als Künstler davon
lebe. Aber ich male in erste Linie für andere Menschen und es soll jemandem,
der sich niemals ein Bild leisten kann, genauso gut gefallen, wie einem
Galeristen.
Was hat Sie zur Kunst gebracht?
Hatten Sie Vorbilder?
Natürlich.
Unendlich viele. Die kann ich gar nicht alle aufzählen. Von den Klassikern, die
man kennt, Michelangelo, oder Rembrand, von mir aus auch, oder ...
... und als Sie noch in der Schule
waren, im Kunstunterricht? Irgendwann muss es ja losgegangen sein ...
Das
hat bei mir schon sehr früh angefangen. Ich habe mich immer mit kreativen
Sachen auseinandergesetzt. Am Anfang war es die Zeichnung. Dann Comics und
Illustrationen. Dadurch setzt man sich auch zwangsläufig mit der
Kunstgeschichte auseinander. Und die Kunstgeschichte hat eine jahrhunderte
lange Tradition, die so viel bietet, dass es einen packt. Man möchte mit den
alten Meistern wetteifern. Oder man möchte mit der Geschichte wetteifern. Es
war dann aber auch irgendwann so, dass ich bei Comics oder Illustrationen immer
die Ideen anderer umsetzte. Andere Leute denken sich Dinge aus und man ist dann nur noch die ausführende
Hand. Da hatte ich einfach irgendwann keine Lust mehr zu. Ich war kreativ.
Immer gewesen. Und ich hatte Ideen, die ich gerne selber umsetzen wollte. Das
geht am besten durch die Malerei.
Ich denke, es ist ein wertvolles
Bild. Und es gefällt mir persönlich auch am besten.
Ja.
Da freue ich mich. Es ist mein Neuestes. Und man denkt ja auch immer von seinem
neuesten Bild, dass es das Beste ist.
Ganz herzlichen Dank für das
Interview.
Nichts
zu danken. Ich freue mich, dass es so gut angekommen ist. Ich habe auch sonst sehr
viel positive Resonanz bekommen, und ich freue mich, wenn Leute sich dafür
interessieren und sich bei mir melden, um mir zu sagen, wie gut es ihnen
gefallen hat. Darüber freue ich mich eigentlich mehr, als alles Andere.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen