2010/12/29

Bericht über Mozart & Science 2010

Dr. Roland Haas - Mozart & Science 2010
Zum 3. Internationalen Kongress zur Musik in Medizin und Therapie trafen sich Vertreter der interdisziplinären Musikwirkungsforschung. Für das wissenschaftliche Programm zeichneten sich verantwortlich Vera BrandesDr. Roland Haas und Dr. Gerhard Tucek.

Dr. Kamal R. Chémali - Mozart & Science 2010









Dr. Kamal Chémali (Vortrag & Klavier) und Prisca Benoit (Klavier) begeisterten die Besucher der Eröffnungsfeier der Mozart & Science 2010. Sie demonstrierten die Kraft der Musik mit einer fantastischen Live-Performance.

Ausgewählte Referenten und ihre Themen sollen hier vorgestellt werden.  

Prof. Dr. Thomas Hillecke stellte sein heuristisches Wirkfaktorenmodell der Musiktherapie vor.
Prof. Dr. Thomas Hillecke - Mozart & Science 2010
In der Musiktherapie werden vor allem Handlungsanleitungen gebraucht. Deshalb geht es für den Heidelberger eher um Pragmatik als um reine Theorie. Im Vordergrund stehen Fragen wie: Bei welcher Indikation kann ich Musik wie einsetzen? Wann mache ich was? Auf welche Art und Weise kann ich Musik einsetzen? 1995 wurde in der Musiktherapie nach spezifischen Wirkfaktoren der Musik gesucht. Nur wenn Musiktherapie ein spezifisches Wirkprofil hat, sei es ein eigenständiges Verfahren, habe damals mancher gemeint, sagte Hillecke: Aber wo sind denn nun unsere Wirkfaktoren? Wissen in der Musiktherapie sollte handlungsrelevant sein, sagte Thomas Hillecke, für den übrigens Musiktherapie ein eigenständiges Verfahren ist.
Interessant ist für ihn die Frage, wo Musiktherapie ihre größten Stärken hat. Doch zuvor wollte sich Hillecke in seinem Vortrag erst einmal umschauen, was in der Musiktherapie bereits vorhanden ist und welches Wissen aus welchen  Referenzwissenschaften genutzt werden kann. Die Stärken der Musiktherapie identifizierte er im Bereich der Aufmerksamkeitsmodulation und der Emotionsmodulation. Im Kongressvortrag begründete und erläuterte Thomas Hillecke diese beiden Aspekte.




Prof. Dr. Thomas Hillecke - Mozart & Science 2010


Da Emotionen und Gefühle oszillierenden Einfluss auf die Herzratenvariabilität haben, gilt es nach Prof. Julian Thayer die Sprache der Gefühle besser kennenzulernen. Nach Thayer können Valenz durch Tonhöhe und Erregung durch Tempo beeinflusst werden. 
Prof. Dr. Klaus –Felix Laczika von der Medizinische Universität Wien (AT) sagte, dass in der Intensivmedizin die individuelle Besonderheit stärker berücksichtigt werden muss.  Auf der Intensivstation treffe man immer wieder auf individuelle Konstellationen, auf völlig anders geartete Menschen in völlig anders gearteten Zuständen.  Der therapeutische Wert von Musiktherapie in einem von Medizintechnik dominierten Arbeitsfeld liege vor allem in der Humanisierung der Handlungsabläufe.

Prof. Horst Werner Korf vom Senckenbergisches Chronomedizinisches Institut (SCI) sprach über den 24 Stunden Rhythmus und endete mit der Behandlung von Schlafstörungen. Nach Korf hängt die Herzfrequenz stark von der Tageszeit ab. Während des Tages werden andere Hormone produziert als in der Nacht. Der Tag-Nacht-Rhythmus wird durch eine innere Uhr gesteuert, die sich über die Variationsgeber Licht + Dunkelheit flexibel an die Umwelt anpassen kann. In der Chronomedizin werde zwischen Hauptuhr und den sogenannten Nebenuhren unterschieden. Diese Uhren seien untereinander interaktiv und aktivieren oder hemmen unser System. Es wird differenziert nach unterschiedlichen Chronotypen. Der Chronotyp eines Menschen kann über einen Fragebogen erfasst werden mit Fragen wie:
Wann stehen Sie auf? In der Woche, am Wochenende, während des Urlaubs?
Unabhängig vom Chronotypen werden unterschiedliche Schlafenszeiten festgestellt. Diese ergeben sich zum Beispiel, wenn sich der Schlafbedarf von Menschen unterscheidet. Manche kommen mit fünf Stunden Schlaf aus, andere benötigen acht Stunden. Im Laufe des Lebens kann sich der Chronotyp eines Menschen verändern.
Schlafstörungen können übrigens auch aufgrund gestörter Photorezeptoren in der Netzhaut entstehen. Schlafstörungen konnten in diesen Fällen durch mehr Licht verringert werden.

Maria Jukic stellte Musik und Kunst im medizinischen Konzept der Cleveland Clinics (USA) vor und berichtete über Epilepsie und Musikstimulation.

Dr. Suzanne B. Hanser - Mozart & Science 2010


Dr. Suzanne B. Hanser vom Berklee Collage of Music  sprach über die Auswirkungen von Musikstimulation auf das Immunsystem und demonstrierte ihre Arbeit am Krankenbett. Nach dem Flötenspiel fragt sie, ob jemand Bilder gesehen habe. Wenn Patienten durch Musik zu Tränen gerührt werden, können sie dadurch Stress abbauen.

Joanne Loewy - Mozart & Science 2010
















Dr. Joanne Loewy, die Herausgeberin der interdisziplinären Zeitschrift 'Music and Medicine', stellte die musiktherapeutischen Studien des Louis Armstrong Center für Musik und Medizin am Beth Israel Medical Center in NYC vor.

Prof. Dr. Jaakko Erkkilä - Mozart & Science 2010

Dr. Jaakko Erkkiläh stellte die improvisatorische psychodynamische Musiktherapie an der University of Jyväskylä am Beispiel der musiktherapeutischen Behandlung von Depression vor. Hier wurde zu expressiven, interaktionellen musikalischen Improvisationen animiert. Indem nach der Improvisation über deren Bedeutung gesprochen wird, können Improvisation und klinisches Gespräch miteinander verbunden werden.

Dr. Dr. Jörg Fachner - Mozart & Science 2010


Dr. Jörg Fachner präsentierte  Forschungsergebnisse des Finnish Centre of Excellence in Interdisciplinary Music Research.

Vera Brandes stellte Studien zur Individualisierte Audiotherapie (I-MAT (Copyright)) als Mono- und Adjuvante Therapie von Depression und Burnout in der Ambulanten Ärztlichen Praxis und in der betrieblichen Gesundheitsfürsorge vor.   
Künstlich beatmete Patienten auf 12 Intensivstationen, die die Möglichkeit erhalten Musik zu hören, werden an der University of Minnesota untersucht. Angst und Stress der Patienten sollen in dieser Studie durch Musik reduziert werden.  Annie Lynne Heiderscheit stellte die laufende Studien des Music Medicine & Methodist Hospital Eating Disorder Institute vor. 

Dr. Cheryl Dileo im Vortrag New Evidence in Music and Medicine.      

Dr. Cheryl Dileo - Mozart & Science 2010



Prof. Sandra Trehub fand für die Ergebnisse ihrer Studie über 'Frühkindliche Kommunikation durch Klang' besonders aufmerksame Zuhörer, da sie die Besonderheiten der musikalischen Kommunikation zwischen Kleinkind und Mutter sehr anschaulich und differenziert präsentierte und die enorme Bedeutung der frühen Entwicklungsjahre heute zunehmend realisiert wird. Die Welt der Kinder ist sehr musikalisch. Kinder interessieren sich sehr stark für Musik und sie haben ein großes Erinnerungsvermögen für Details. Kleinkinder können Tonhöhen unterscheiden. Sie kennen die Sprechlage der Mutter. In der Kommunikation zwischen Säugling und Mutter steht der Bedeutungsaustausch nicht im Vordergrund. Es gibt eine besondere Art der Ansprache und Artikulation. Mütter beziehen in der verbalen Interaktion alles, was das Kind macht, mit ein, egal ob es ein Rülpser ist oder eine Bewegung. Und es müssen nicht immer nur die Mütter sein, die im Kontakt mit Kleinkindern in dieser besonderen Sprache reden. Sie wird Kleinkindsprache genannt. In dieser Sprache liegt die Stimmhöhe der Mutter üblicherweise etwa 7,5 Töne über ihrer normalen Stimmhöhe. Es wurden verschiedene Ergebnisse hinsichtlich der Änderung von Erregungszuständen vorgestellt, die von großer Bedeutung auch für die Beratung von Müttern sind. Um die Aufmerksamkeit des Kindes zu halten, ist zum Beispiel das Singen wirksamer als das Sprechen. In der Kommunikation zwischen Mutter und Kind findet sich mehr Bewegung, und die Bewegung ist auch rhythmischer, wenn die Mutter das Kind sehen kann. Wird nur ein Vorhang zwischen Mutter und Kind gezogen, verringern sich die Fähigkeiten der Mutter in der besonderen Kleinkindsprache zu sprechen. Kinder befinden sich oft in einem fast tranceartigen Zustand und hören der Mutter gebannt zu, wenn diese in dieser speziellen Sprache mit ihnen kommuniziert. Diese besondere Sprache wurde sehr genau untersucht. Das Singen der Mutter hat eine ganz wichtige Funktion für die Interaktion mit dem Kind. Wenn Mütter singen, verlangsamen sie das Tempo, wenn sie mit dem Kind zusammen sind, und die expressiven Unterschiede erfolgen eher auf der dynamischen Seite. Mütter können sehr tief modulieren. 
In den Studien wurden sehr viele Film- und Audioaufnahmen ausgewertet. Gezeigt wurde auch ein Video mit einer ausgebildeten Sängerin. Diese sang zwar musikalisch korrekt, machte aber hinsichtlich der müttertypischen Art sehr gravierende Fehler. In der sprachlichen Kommunikation zwischen Mutter und Kind gibt viele Stile, es ist individuell ausgeprägt, aber es gibt auch typische Aspekte: immer wieder auf dieselbe Tönhöhe zu gehen und immer wieder auf dasselbe Tempo. Und selbst wenn Mütter sehr viele Lieder kennen, singen sie dennoch immer wieder dieselben. Sie sagen, das sind die Lieder, die mein Kind bevorzugt. Es ist eine Art Babyhitparade.

Wie die therapeutische Behandlungsqualität für Patienten in NÖ Landeskliniken vertieft und erweitert werden, war das Thema von Dr. Gerhard Tucek im Vortrag 'Evidenzerwartung an die Musiktherapie'.
  
     
Claudia Fischer - Mozart & Science 2010
Diplom-Psychologin Claudia Fischer leitete durch die Posterkonferenz. Auf dem Kongress Mozart & Science wurden Studien zur Musik und Musiktherapie im Gesundheitsystem und in der Sozialen Arbeit auf über 40 Postern vorgestellt.  

Prof. Kwang Jo Cheong - Mozart & Science 2010
Sari Laitinen - Mozart & Science 2010


Fragen an die Forscher konnten in der Posterkonferenz gestellt werden. Eine Studie zum Singen und Hören bekannter Lieder im Bereich der Demenzvorsorge stellte Sari Laitinen aus Finnland vor. 

Prof. Ae-na Choi, Prof. Kwang Jo Cheong, Dipl. Psych. Claudia Fischer
Prof. Ae-na Choi (Pai-Chai University) und Kwang  Jo Cheong (Korean Artpsychotherapy Association, Dae-Jeon University) stellten eine Studie über die Effekte von Gruppenmusikinterventionen bei Patienten mit Depressionen und Ängsten vor. 

Dr. Nikki S. Rickard - Mozart & Science 2010


Die aktive Auseinandersetzung mit Musik hat nach Dr. Nikki Rickard (Monash University in Australien)  eine positive Auswirkungen auf die Gehirnstruktur, die Gehirnfunktion, die Gesundheit und das Wohlbefinden. 




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