2008/12/23

Dynamische Langsamkeit
Ein Weg aus der Krise?

Veränderung in der Zeit wird oft mit Geschwindigkeit assoziiert, dabei irgendwo auf einer Skala zwischen langsam und schnell. Doch in der Musik verhält es sich wie im Leben ökonomisch Handelnder: eine Dimension reicht zur Orientierung selten aus. Daher widmet sich dieser Beitrag der Zeit und der Dynamik.

Im Jahr 1964 schrumpfte die Welt zum globalen Dorf, in der Öffentlichkeit wurden die Thesen zur veränderten Geschwindigkeit im elektrischen Zeitalter diskutiert.

"Das langsame Tempo gewährleistete eine Verzögerung der Reaktionen über beträchtliche Zeiträume hinaus. Heute erfolgen Aktion und Reaktion fast gleichzeitig." (McLuhan, 1964, Understanding Media, hier zitiert nach McLuhan, Marshall, 1995, 16)

Geschwindigkeit wurde vielfach zum Thema, sei es in der Literatur oder in der Philosophie. Vor allem auch ökonomisch Interessierte setzten sich dann mit der Systemtheorie eines sich gerade etablierenden Soziologen auseinander. Niklas Luhmann entwarf jedoch nicht nur seine Theorie der sozialen Systeme, er zeigte in Beobachter der Moderne auch den Verlust der Verantwortung in unserer Gesellschaft auf. Doch sollte die öffentliche Aufmerksamkeit diesbezüglich nicht überschätzt werden, die Reaktionen auf die Wirtschaftkrise 2008 zumindest lassen eher auf Naivität schliessen.

Im Jahr der Wirtschaftskrise lenkt die Zeitschrift DIE ZEIT nun erneut die Aufmerksamkeit auch auf den Aspekt der Geschwindigkeit. Werfen wir einen Blick in das entsprechende Interview, das Hanns-Bruno Kammertöns und Stepan Lebert mit dem Buchmacher Michael Krüger geführt haben: Michael Krüger playdiert in diesem Interview für eine Entschleunigung. Als Buchmacher außerhalb der Wallstreet beschreibt Michael Krüger einen Umgang mit der Zeit, der sich durchaus noch in Wachstumsbegriffen formulieren lässt:

"Ein Manuskript wird gelesen, dann Korrektur gelesen, man überlegt sich einen passenden Umschlag, man formuliert Klappentexte, Rückseitentexte und möglicherweise eine Buchbinde. Jeder Schritt ist eine präzise Angelegenheit. ... Diese substanzielle Langsamkeit gefällt mir, sozusagen als Bollwerk gegen das wahnsinnige Tempo um einen herum. Ein Buch ist das Ergebnis eines Wachstumsprozesses." (Michael Krüger im ZEIT-Interview am 23.12.2008)

Doch die Zuwendung zur Langsamkeit erscheint bei Michael Krüger keineswegs mit einer statischen Tendenz verbunden: "Wenn Sie mich heute fragen, wer ich sei, kann ich Ihnen nur sagen, wer ich gestern war. Und schon das fällt mir schwer." Michael Krüger im ZEIT-Interview a.a.O.)

Das Konzept der Langsamkeit kann also mit einer dynamischen Komponente gekoppelt werden. Dies wird in der Musik etwa von Renaud Garcia-Fons bei Oriental Bass realisiert. Gerade in der Musik finden sich übrigens sehr gute Beispiele für das hier vorgestellte Konzept der dynamischen Langsamkeit.

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