2007/05/14

Eindringen über Kopf und Bauch















Im Interview mit Christian Seiler entfaltet der Musiker Georg Danzer sein künstlerisches Verständnis:

"Ich spreche über das, was die Kunst ausmacht. Dass sie manchmal zwar aussieht wie die Natur, aber per definitionem künstlich sein muss. Jeder Indianer erkennt in der Natur sofort das Künstliche, weil sein Blick darauf geschult ist, Abweichungen von der Natur zu erkennen: gerade Linien, rechte Winkel. Aber das beschreibt genau, was der Künstler macht. Er versucht zu begradigen. Er verwandelt Sachen, die gerade sind, in etwas Unrundes und Unruhiges. Das ist, was mir am Liederschreiben immer noch am meisten Spaß macht: die künstlerische Verwandlung." (Danzer, 2006, 45)

Im Gespräch mit Christian Seiler verweist Georg Danzer auf den synergetischen Effekt, der entsteht, wenn es gelingt, Text und Musik so zu kombinieren, dass ein Lied funktioniert:

"Musik und Text vermitteln jeweils eigene Geschichten. Man bedient gleichzeitig Gefühle, aber auch den Intellekt. Freud hat die Musik nicht sonderlich geschätzt, weil er immer Angst davor hatte, dass man die intellektuelle Kontrolle über sie verliert. Das kann bis zu einem gewissen Punkt tatsächlich passieren. ... Bei Texten ist es jedenfalls anders ... Selbst wenn man so kräftige Poeten wie Bukowski, Rimbaud oder Baudelaire liest, beginnt die Wirkung der Geschichte im Kopf und nicht im Bauch. Und das ist das Tolle an einem Lied: es dringt über Kopf und Bauch in uns ein. Darum hat die Musik auf die Jugend eine so enorme Wirkung. Darum weinen junge Mädchen bei Silbermond, Nena, Stürmer, Grönemeyer. Der Text verbündet sich mit der Musik und der Melodie zu einer völlig eigenen Kunstform." (Danzer, 2006, 46f.)

Quelle:
Georg Danzer (2006) Jetzt oder nie. Im Gespräch mit Christian Seiler. Wien: Amalthea Signum Verlag.

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