2006/02/09

Marshall McLuhan regt an

In ’Understanding Media’ (1964) befasst sich Marshall McLuhan mit den Ausweitungen des Menschen.

Marshall McLuhan war der Ansicht, dass wir „Vernunft mit Schriftkundigsein und Rationalismus mit einer einzigen Technik verwechselt [haben].“ (McLuhan, 1995, 18)

Mehr als vierzig Jahre sind vergangen, wenn wir heute auf seine Worte blicken.

"Rasch nähern wir uns der Endphase der Ausweitung des Menschen – der technischen Analogiedarstellung des Bewusstseins, mit der der schöpferische Erkenntnisprozeß kollektiv und korporativ auf die ganze menschliche Gesellschaft ausgeweitet wird, und zwar auf ziemlich dieselbe Weise, wie wir unsere Sinne und Nerven durch verschiedene Medien bereits ausgeweitet haben.“ (McLuhan, 1995, 15)

McLuhan differenziert zwischen ’heißen Medien’ und ’kalten Medien, wobei ersteres eines ist, das nur einen der Sinne allein erweitert, bis etwas detailreich ist.

Ein kühles Medium, wie die Sprache, ist nur ein in geringem Maße definiertes Medium. Es bietet so wenig, dass viel vom Hörer ergänzt werden muss.

Nach McLuhan ist ‚Komfort’, ein Zustand des zwanglosen Mitwirkens der Sinne. (Vergleiche hierzu das mulimodale Konzept in der aktuellen musiktherapeutischen Literatur.) "Dieser Zustand ist ausgeschlossen, wenn irgendeiner der Sinne, besonders aber der Gesichtssinn, soweit aufgeheizt wird, daß er die Lage souverän beherrscht.“ (McLuhan, 1995, 60)

McLuhan erinnert: „Andererseits beginnt bei Experimenten, in welchen alle Sinnesempfindungen von außen ausgeschlossen sind, die Versuchsperson wie wild Sinnesempfindungen auszufüllen oder zu ergänzen, was einer regelrechten Halluzination gleichkommt. So bewirkt also das Aufheizen eines Sinnes allein eher Hypnose, und das Abkühlen aller Sinne hat eher Halluzinationen zur Folge.“ (McLuhan, 1995, 60f.)

„Das langsame Tempo gewährleistete eine Verzögerung der Reaktion über beträchtliche Zeiträume hinaus. Heute erfolgt Aktion und Reaktion fast gleichzeitig.“ (McLuhan, 1995, 16)

„Der westliche Mensch erwarb mit dem Alphabetentum die Fähigkeit zu agieren, ohne zu reagieren. Die Vorteile der Fähigkeit, sich so teilen zu können, werden am Beispiel des Chirurgen klar, der vollkommen hilflos wäre, wenn er bei seiner Operation menschlich Anteil nehmen sollte. Wir haben die Kunst gelernt, die gefährlichsten gesellschaftlichen Unternehmen mit vollkommener Objektivität durchzuführen. Aber unsere Objektivität war eine Einstellung des Nichtbeteiligtseins.“ (McLuhan, 1995, 16f.)

Die Thesen von Marshall McLuhan, dem frühen führenden Theoretiker der Globalisierung, wurden nicht nur von dem Soziologen und Systemtheoretiker Niklas Luhmann und seinen Adepten aus dem System ’Wirtschaft’ aufgenommen und in neuen Konstruktionen verarbeitet.

Die kritischen Haltung von Marshall McLuhan zur Objektivität läßt sich im nachfolgenden wissenschaftstheoretischen Diskurs wiederfinden.

Verwenden wir seine zentralen Ausdifferenzierungen für die Reflexion musiktherapeutischer Prozesse, bietet sich ebenfalls ein Spielplatz der Möglichkeiten.

Doch Marshall McLuhan mahnt nicht ohne Grund zur Vorsicht:

„Denn jedes Medium hat die Macht, seine eigenen Postulate dem Ahnungslosen aufzuzwingen. Voraussage und Steuerung bestehen darin, diesen unterschwelligen narzißtischen Trancezustand zu vermeiden. Aber am meisten hilft in diesem Fall einfach die Erkenntnis, daß der Zauber sofort nach Kontaktaufnahme, wie bei den ersten Takten einer Melodie, wirken kann.“ (McLuhan, 1995, 33)

Ein verständiger Umgang mit Musikinstrumenten sollte die Abkehr von blinder Naivität beinhalten. Dies gilt insbesondere für die gezielte Arbeit in der Musiktherapie

Quelle: McLuhan, Marshall (1995) Die magischen Kanäle. Understanding Media. 2. Auflage, Dresden und Basel: Verlag der Kunst.

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